Leserbeitrag: „Drei Tage Horror“

Maik ist eigentlich Blog-Leser und startet 2017 seinen zweiten Versuch beim Examen.
Ich kam mit ihm in netten Kontakt und habe viele Fragen über den Ablauf der Echt-Klausur gestellt. Und damit nicht nur ich von seinen Erfahrungen profitiere war er so nett folgenden Leser-Beitrag über den Ablauf der Steuerberaterprüfung 2016 zu schreiben… Vielen Dank!

Ausgangssituation
Niedersachsen, männlich, 44 Jahre, 11 Jahre Praktiker, alle drei Tage um 36-45 Punkte in den jeweils letzten 3 Klausuren.

Tag 1
Die Nacht im Hotel verlief gut. Leichtes Baldrian und ein gesundes Selbstbewusstsein verhalf zum Einschlafen um 22.00 Uhr und Aufwachen um 5-6 Uhr. Ich habe an Teilnehmer im Rest Deutschlands ein Video verschickt. Die Szene aus Karate Tiger I, „Jason, kein aufgegeben, kein Rückzug!“

Die Stadthalle in Braunschweig ist schon ein beeindruckend großes Gebäude und die Weitläufigkeit der Flure wird auf den ersten Blick nur durch die wuselnde Masse der Prüfungsteilnehmer abgemildert. Der riesige Prüfungsraum ist voller Einzeltische, aber nicht überfüllt. Die Tische weder (zu) klein noch groß, es wird gehen.

Kann man die Anspannung riechen? Sehen? Spüren? Vermutlich alles zusammen. Die Gespräche mit Bekannten laufen alle ungefähr gleich ab. „Viel Glück!“ heißt es aus bleichen Gesichtern. An so einem Tag werden selbst ungeliebte Bekannte zu verbündeten.
Eine Sitznachbarin aus dem Haas Kurs hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, sagt sie. So sieht sie auch aus und das Ergebnis des Tages wird ihre Aussage bestätigen. In der folgenden Nacht wird sie rechtzeitig leichte Beruhigungsmittel nehmen, sie hatte nur keine dabei gehabt in Nacht 1…

Es wird angesagt, dass die Taschen nicht an die Seiten gestellt werden dürfen, da dort die Lüftungsschlitze sind. Nicht gesagt wird, dass die Taschen nicht unter den Tischen stehen bleiben dürfen. Auf meine Nachfrage werde ich angeblafft und sofort wird meine Anspannung in Aggression umgewandelt.

Ich Stempel meine 50 Blatt Papier mit meinem Namen und fange mit allen anderen zu schreiben. Die Klausur entspricht 1-1 meinen Erwartungen. Ich beginne mit Verfahrensrecht, gehe über zu Erbschaftsteuer und lese die Aufgabenstellung mit „Grunderwerbsteuer und andere Nebensteuern“ und halte es für einen Scherz. Dennoch sitze ich gut 2 Stunden an Erbschaftsteuer. Manche Aufgabenstellung in Erbschaft muss ich dreimal lesen. Die sind doch unsauber formuliert?
In Umsatzsteuer ist es soweit. Ein Schwächeanfall (der einzige in den drei Tagen). Ich bin abgeschlafft und verunsichert. Ich lese Aufgabe 1, bin unsicher, gehe weiter zu Aufgabe 2, gehe weiter zur nächsten Aufgabe… und endlich, die letzte kann ich sicher lösen. Anschließend löse ich sie in umgedrehter Reihenfolge. Schlimm ist die §15a UStG Aufgabe. Nach meinem Verständnis (und der Lösung) ist es keine § 15a Geschichte. Aber jeder von uns wird es noch im Kopf haben: Es gibt keine USt-Klausur ohne §15a…
Am Ende des Tages habe ich die Klausur wohl nicht unterschrieben. Den Stand der Nachlieferungen habe ich ohnehin nicht eingetragen. Sei´s drum.

Kurze Gespräche nach der Klausur zeigen, dass jetzt schon nicht grade wenige Kollegen die drei Tage abgeschrieben haben. Ich war gefühlt auf meinem üblichen Level. Und Erbschaft war erwartungsgemäß ätzend gewesen.

Tag 2
KSt/GewSt entsprach nicht wirklich den bekannten Aufgabenstellungen, die Pensionskasse zog sich durch und ich hatte eine 50/50 Chance ob vGa oder nicht… (falsch entschieden). Und das zog sich durch all die Jahre/Punkte.
Der 8c KStG-Fall war aus Gewerbesteuer, mittendrin im Schreiben überlegte ich, warum ich bei einer OHG im KStG bin.^^ Helft mir, ist es § 10a S…8 GewStG?
Dann diese geile Aufgabe 1. Seitenweise. Mit der sinngemäßen Aufgabenstellung „finde die Abzugsteuer und sage uns wann sie fällig ist“.
Ich las alles „neutral“ durch und stand auf. Ging den langen, langen Weg auf Klo und setzte mich ein paar Minuten hin. Ging zurück und löste diese Scheisse. Die Alternative wäre gewesen wie die junge Frau auf der rechten Seite zu reagieren:“ich verklage sie, (weinend) ich verklage sie, ich verklage sie“… Stundenlang. Und die Aufpasser griffen nicht ein. Die armen Klausurschreiber um diese Frau herum. Ich denke, meine 7-10 Minuten Klogang waren gut investierte Zeit.Im Gegensatz zu den besten nutzte ich nur Richtlinien und Gesetze (Erlasse wären teilweise sehr hilfreich gewesen). Dafür war ich recht gut in der Zeit. Teilweise traf man auf Lösungen für ganz andere Aufgabenteile als die, die man grade bearbeitete. Dann habe ich die Fundstellen notiert. Bei meinem zweiten Klogang traf ich eine Kollegin, die soeben aufgegeben hatte. Der Aufpasser fand es gar nicht witzig, dass wir miteinander sprachen. Dabei wollte ich sie nur umarmen.

Wild (innerlich) fluchend suchte ich §§ 37a und 37b, fand sie aber nicht. Also schrieb ich den Inhalt ohne Paragraphenangaben.

Der Tag endete mit meinem schwersten Fehler. Wir verabredeten uns zu dritt zum Essen und waren kurz darauf acht Leute. Einer fluchte immer über die Klausur. Nach einer halben Stunde war ich dermaßen gestresst, dass ich ging.

Tag 3
Tag 3 gab es nur noch wenige echte Optimisten. Ich war glaube nervöser als an Tag 1. Viele andere wussten schon, dass es nicht gereicht hat. Ich schrieb die Klausur, empfand sie als schwer, aber fair. Es hieß später, sie wäre leicht gewesen.

Am Ende war es dreimal 4,5. Damit gehörte ich zu den besten 40% meines Kurses. Und ganz am Ende reichte es nicht.^^