Was lernen wir daraus?

Ich bin mal wieder am philosophieren. Meine Tochter hat die Schule gewechselt. Sie geht jetzt in die 5. Klasse des Gymnasiums. Das ist natürlich ganz anders, als Grundschule. Und da der Apfel ja bekanntlich nicht weit vom Birnbaum fällt, hat sie arg mit der Angst zu kämpfen, es nicht zu schaffen, nicht versetzt zu werden oder für dumm gehalten zu werden. Und das nach 5 Wochen Schule. Zwei 3er in Bio, und die Welt ist in Schieflage. Da zählt die 2 in Mathe gar nichts mehr. Wenn man 80% der Englisch-Vokabeln weiß, ist das noch lange nicht genug… So wird mir seit meiner Rückkehr täglich ein kleiner 10jähriger Spiegel vorgehalten. Ich rede ihr morgens, nachmittags und abends gut zu, dass doch eine 3 eine gute Note ist, dass das natürlich erstmal alles beängstigend und neu ist und sie sich daran gewöhnen muss. Dass man als eh schon zurückhaltendes Kind bei einer plötzlichen mündlichen Kontrolle an der Tafel erstmal vor lauter Angst und Schreck (fast) alles vergessen hat. Dass ihre Mitschüler sie danach nicht alle anschauen, weil sie sie für dumm halten, sondern weil sie wahrscheinlich einfach Mitleid hatten und froh waren, nicht selbst dran gekommen zu sein. Dass sie nicht die Beste sein muss, dass alle Einser nichts wert sind, wenn sie traurig und einsam ist, ihren Hobbys nicht mehr nachgehen kann, weil sie nur noch lernen muss und dass ich möchte, dass sie glücklich, fröhlich und entspannt ist, weiter den ganzen Tag tanzt und singt und dafür lieber „schlechtere“ Noten in Kauf nehme. Ich erkenne mich so deutlich wieder in ihr, das ist schon beängstigend. Ich glaube, genau das soll mir was sagen. Schraub die Erwartungen runter. Mach dich nicht fertig. Die Welt ist auch schön, ohne gute Noten. Ich dachte ja immer, ich müsse meinen Sohn zu Höchstleistungen anspornen. Aber seit ein paar Tagen kommt mir immer wieder der Gedanke, vielleicht soll ich ja was von ihm lernen und nicht er von mir? Vielleicht sollte ich wie er mit weniger Aufwand die Hürden knapp nehmen und mich dabei aber gut fühlen, weil es ja „gereicht“ hat? So lernen wir vielleicht doch von unseren Kindern und nicht nur sie von uns.

Deswegen und weil das eben wirklich wichtig ist, habe ich mir gestern auch Zeit genommen, einen Geburtstagskuchen zu backen, zu verzieren und mit 14 Kerzen zu bestücken. Denn heute vor 14 Jahren hat sich jemand unter schwierigen Umständen auf die Welt gekämpft ♥️

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Und ich muss sagen, das hat meine Stimmung extrem aufgehellt. Den Geburtstagstisch zu dekorieren und seine Freude zu sehen. Das zählt. Dieses Gefühl hätte ich mit einem gekauften Kuchen nicht gehabt.

Und auch für Englisch Vokabeln abfragen, Kommutativ-, Distributiv- und Assoziativgesetz musste Zeit sein, denn da brauchte jemand dringend Hilfe und musste schon lang genug auf mich verzichten. Genau das ist wirklich wichtig. Klar ist diese Prüfung auch wichtig. Aber mal ganz ehrlich, für mich und auch für die meisten anderen nicht existenziell und nicht überlebenswichtig. Ich kann auch gut als Bilanzbuchhalterin weiter arbeiten oder sie eben nächstes Jahr nochmal schreiben. Davon geht die Welt nicht unter. Das muss ich mir immer wieder sagen. Ich tue, was ich kann und entweder es reicht, oder eben nicht.

Um mich nicht an diesen schwierigen Fällen von WLW verrückt zu machen, habe ich gestern begonnen, die Prüfungen 2012 – 2014 durchzuarbeiten, um einfach mal das Niveau der Echtklausuren einschätzen zu können. Beruhigt mich etwas, zeigt mir aber auch, dass ich tatsächlich Basics schon wieder vergessen hab bei den vielen Spezialfällen, die wir bearbeitet haben…

Weitere korrigierte Klausuren habe ich von WLW noch nicht bekommen. Find ich bißchen doof, bin aber auch irgendwie froh drüber. Vorgestern habe ich übrigens festgestellt, dass mir die Korrektorin in der einen 4,5er BilSt Klausur in einem SV die volle Punktzahl angerechnet hat, obwohl es eigentlich nur die Hälfte war…Sie hat einfach die volle Punktzahl oben in die Summe reingeschrieben 🙂 Wirklich nett von ihr, aber ich hab’s leider bemerkt… Das war dann wohl doch maximal ne 5,0…

Also, mein guter Vorsatz für die restliche Zeit lautet: Johanniskrauttee trinken, ruhig bleiben, tun was ich kann ohne mich fertig zu machen und der Rest wird sich zeigen. Heute Nachmittag wird ein bisschen Geburtstag gefeiert und bis dahin wühl ich mich durch die Klausuren. Am Samstag nimmt meine Tochter an ihrem ersten Taekwondo Tecknikturnier teil und ist entsprechend aufgeregt. Auch dort werde ich dabei sein. Denn das ist mir wichtig und das ist das, woran sie sich später erinnern werden. An den Geburtstagskuchen und dass ich für sie da war.

Liebe Grüße und übersteht gut die restlichen Tage.