Leben am Limit

klingt übertrieben, momentan fühl ich mich aber so. Vergangene Woche kamen ja nun unsere Briefe in Sachsen mit den Terminen der mündlichen Prüfung. Welcome to the Horror-Show wird es heißen am 31.01.2020. Das Grauen hat ein Datum bekommen. Das ist doch schon gleich!!! Ich will da nicht hin, mault das kleine ängstliche Mädchen in mir.

Dann noch der Stress auf Arbeit. Ich hab da erstmalig so einen Fall für StB auf dem Tisch. Große Gesellschaft, bucht selbst, Handelsbilanz liegt vor, StBilanz will von mir samt aller StE erstellt werden. Also nachdem ich Tage gebraucht habe, um tausende Salden einzuhämmern, da die natürlich auch noch mit einem anderen System buchen und tausend Unterkonten verwenden, muss ich nun steuerlich nicht zulässige Ansätze lokalisieren und eliminieren. Zu allem Unglück gibt’s da auch noch eine Kst-liche Organschaft mit einer Tochter und eine USt.liche Organschaft mit eben dieser und noch einer anderen Tochter. Eigentlich genau das, was ein junger aufstrebender StB-Anwärter braucht. Me too? Nö. Das überfordert mich gerade total, eher nervlich und mit dem Zeitdruck im Hinterkopf. Ich will bitte leichte Aufgaben, dich ich schnell lösen kann. Ich will die ganze Zeit schreien: „Hilfeee!!! Ich bin kein StB, holt mich hier raus!!!“

Damit das fertig wird und um Urlaub zu sparen, mache ich ÜStd, die ich dann vor der mündlichen Prüfung zur Vorbereitung wieder abfeiere. Ich würde ja gerne 2 Wochen frei haben vor der mündlichen. Danach würde ich dann weiter ÜStd leisten, um die 2 Wochen auszugleichen und weil ja bis 28.02. auch noch genügend Steuererklärungen fertig zu stellen sind. Wie macht ihr das? Mein Chef meinte ja zu meiner Bitte mit den 2 Wochen: „Ach, soviel Vorbereitung brauchen Sie doch nicht. Was wollen Sie denn noch alles lernen? Vorträge? Da reichen doch 3 zum üben.“ Hahaha. Fand ich überhaupt nicht witzig. Jedenfalls war ich am Freitag fix und fertig nach ungewohnten fast 40 Std. Arbeitszeit, abendlichem Vorträge ausarbeiten (mehr als einen pro Abend schaffte ich nicht, denn Spätschichtwoche…, 21 Uhr ging nichts mehr trotz Kaffee), dem Gefühl der Unfähigkeit, dem Wissen, was ich alles noch lernen wollte und der Aussicht, vielleicht keine 2 Wochen Freistellung zu bekommen. Ich gelte ja als sehr „ausgeglichen“. Mandy bringt nichts so schnell aus der Ruhe. Aber am Freitag war ich auf Arbeit mehrmals kurz davor, loszuheulen, abends vor den Unterlagen auch. Sind das schon erste Anzeichen für einen Burnout? (Und an alle, die jetzt denken, heul doch nicht rum. Die schon immer die Leute in der Schule hassten, die sich wegen einer Klausur oder einer Prüfung fertig machen und es dann doch schafften: Wir heulen nicht aus Spaß. Wir zweifeln wirklich an uns. Aber vielleicht sorgt genau das dafür, dass wir es eben nicht auf die leichte Schulter nehmen, viel dafür tun und es am Ende besser als gedacht schaffen.)

Samstag war dann Vortragstraining beim Lehrgangsanbieter angesagt. Bin schon mit Kopfweh aufgewacht. Zu viel Anspannung. Und natürlich hats mich gegruselt. Die Ansage des Dozenten, er hätte uns natürlich keine einfachen Themen mitgebracht, aber wir könnten heute im Gegensatz zur Prüfung alle Hilfsmittel verwenden, sogar Internet, machte es nicht besser. Haltet euch fest, ich zog folgende Themen:

Brexit-Steuerbegleitgesetz, Die Betriebsstätte im Steuerrecht, Die Zerlegung in der GewSt.

Wtf?! Ihr ahnt natürlich, was ich genommen habe, die Zerlegung. Vor laufender Kamera durften wir dann vortragen. Ich war als letzte von 5 Leuten dran und es lief zum Glück ganz gut. Sehr beruhigend für die innere Panik. Aus diesem Training nehme ich doch einiges mit. Unsere Hausaufgabe war, die verbleibenden 2 Vorträge zu Hause ohne Zeitvorgabe auszuarbeiten (wir würden für die schwierigen aktuellen Themen mind. 2 Stunden brauchen, zu mir meinte er noch „Oh, Brexit UND Betriebsstätte, Sie werden da aber ganz schön zu tun haben :-)) und ihm bis heute Nachmittag/Abend per mail zu schicken. Er verteilt dann mit unserer Zustimmung die Vorträge jeweils an die anderen 4 Teilnehmer. Fand ich ne super Idee, das mit dem Verteilen, nicht das mit der Hausaufgabe. Hab am Brexit-StBG Stunden gesessen, zum Glück gestern schon gemacht. Aber ich bin ja auch pingelig. Hab mir gleich mal die Geschichte des Brexit reingezogen und fand das ganze wider Erwarten recht interessant. Dann war der Vortrag natürlich viel zu lang und ich musste kürzen. Und mit der Durchforstung des Brexit-StBG (übrigens mit Wirkung schon ab 29.03.2019 dem ursprünglichen Austrittsdatum) habe ich gleich diese ganzen Vorschriften wiederholt. Solltet ihr auch mal tun. Denn, ACHTUNG, ACHTUNG: Am 31.01.2020 endet die derzeitig, wahrscheinlich letzte Frist für den Austritt Großbritanniens aus der EU!!! An meinem Prüfungstag! Wenn kein Wunder mehr geschieht… Die aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsstätte war mir auch noch nicht so geläufig. Zum Glück hat er mir schon zwei Stichworte verraten: „Schließfach als Betriebsstätte“ und „Geschäftsführer-Betriebsstätte“. Könnte aufgrund der Aktualität auch Thema sein… Also, aktuelle Themen anschauen kann nicht schaden.

So, jetzt verziehe ich mich zur Entspannung mal wieder in die Wanne mit einer Tasse Hanftee, zünde ein paar Kerzen an, höre noch ein paar WLW-FAQ’s und hoffe, dass ich diese Woche ohne einen Nervenzusammenbruch die Steuererklärungen noch fertig bekomme und abends noch in der Lage bin, vernünftig zu lernen.

Eure Mandy