Man mutet sich so leichtfertig anderen Menschen zu und dabei kann man sich selbst kaum ertragen …

Hallo Ihr Lieben,

diese Aussage stammt von Herman Hesse und hängt als Postkarte in meinem Flur.
Jetzt fragt ihr euch sicher, mit was für Postkarten-Lebensweisheiten kommt sie jetzt wieder um die Ecke …

Ich bin mir nicht sicher ob sich alle hier im Klaren darüber sind, was für eine Zumutung wir zuweilen für unser soziale Umfeld sind!

Da gibt es jede Menge Hobbys die weltweit auf Interesse und Zuspruch treffen und eine wirklich große Community haben.
Mein Bruder ist im Schachverein und spielt nebenbei Nächtelang Schach gegen Menschen irgendwo auf dieser Welt. Gespräche mit ihm sind toll, ich erfahre etwas über die Brisanz einer fehlerhaften Eröffnung und ähnliche spanende Dinge …
Da gibt es meinen Mann mit seiner Leidenschaft für Sport, Fußball und Hertha und dem Umstand, dass Hertha „nachweislich“ immer nur verliert, weil sich alle Schiedsrichter gegen Hertha verschworen haben ….
da gibt es Hobbyimker, Pilzfreunde, Vogelbeobachter, Entomologen …
selbst meine Laufapp hat garantiert mehr Nutzer als es Leser dieses Blogs und Steuerberateranwärter gibt!

Was glaubt ihr macht dieses super spannende Hobby mit einer Partnerschafft?
Wenn wir uns innerhalb kürzester Zeit in zutiefst verunsicherte, gestresste, unzufriedene und an uns selbst zweifelnde Menschen verwandelt? Unser Partner soll voll Begeisterung mit uns auf diese Reise gehen, es super finden, dass es keinen gemeinsamen Sport, Hobbys, Familienausflüge, Urlaub, Wochenendtrip etc. gibt und das über 1-4 Jahre?
Ein Mindestmaß an Verständnis können wir ja wohl erwarten, wenn wir Zeit, Kraft und Ersparnisse opfern um uns selbst zu verwirklichen, damit wir nach der bestandenen Prüfung mehr arbeiten können als jemals zu vor, oder weniger, weil ein höherer Stundenlohn winkt …

Oder was genau war nochmal der Grund, warum wir diese Reise angetreten sind?

Euer Partner kündigt die Reisebegleitung, weil sie zu teuer wird?
Die tatsächlichen Kosten und das liebe Geld!
Wir lieben es für unsere Hobbys und Leidenschaften Geld aus zu geben, Urlaub, Freizeitvergnügen, SKY, Netflix, Amazon, Spotify und Co kosten viel Geld und wir leisten uns permanent Dinge, die wir nicht brauchen.
(Kosmetik, Schuhe und Frisör gehört natürlich nicht in die letzte Kategorie)
Ich mutmaße mal, dass es bei den Gesprächen um die Kosten dieser Ausbildung nicht wirklich um Geld geht …

Alle Anbieter werben mit Erfolgsgeschichten und wir alle hier wissen, es gibt auch die anderen, die es beim selben Anbieter nicht geschafft haben. Warum schaffen es einige und andere nicht?
Die Prüfung ist für alle gleich, die Anbieter letztendlich auch.
Liegt es an einem unzureichenden beruflichen Kontext, zu wenig zusätzliche Klausurenkurse, die fehlenden Karteikarten, den nicht gebuchten Crashkurs, der fehlende Zusatzkurs AO?

Wenn uns diese Ausbildung eins lehrt, dann das es letztendlich nur darauf ankommt, wieviel Kraft und Zeit wir tatsächlich auf das Lernen und die Klausurentechnik verwenden …

Und da sind wir bei den tatsächlichen Kosten. Es kostet letztendlich jede Menge Zeit! Zeit in der wir nicht arbeiten und Zeit die wir nicht mit unserer Familie verbringen. Solange wir keine Familie haben spielt das nur eine untergeordnete Rolle. An Geld jedenfalls scheitert dieses Unterfangen garantiert nicht …

Was wäre, wenn diese Prüfung eigentlich zutiefst gerecht wäre, weil sie nur die bestehen lässt, die sich wirklich darauf eingelassen haben, abgesehen davon,
dass diese Prüfung natürlich total abgedreht und perfide ist.

Ließen wir diesen Gedanken zu, müssten wir dann nicht unsere Motivation hinterfragen?

Nuri schreibt, er dachte es sei nur eine Prüfung, die man mal so machen kann und es würde sich dann nett auf der Visitenkarte machen. Ich dachte auch mal so über diese Prüfung, nur das mir die Visitenkarte egal ist. Visitenkarte ist wohl so ein Männliches Ding …
Tatsächlich?
Ist das wirklich so, oder steht die Visitenkarte eigentlich für etwas andere?

Ist ja nicht so, dass Menschen die mir begegnen jemals gesagt hätten:
Du bist Buchhalterin, super, was für ein toller interessanter Job!
Hatte ich mir auch mal überlegt aber es war mir dann doch zu Anspruchsvoll, Komplex und Abwechslungsreich, deshalb bin ich lieber Arzt, Rechtsanwalt, Ingenieur, Architekt, Heilpraktiker, Lehrer, Handwerker, Journalist, Graphiker oder Beamter geworden ….

Genaugenommen wird es nicht mal wirklich als Beruf wahrgenommen. Das ändert sich auch nicht, wenn wir die Titel: Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirt erwerben.

Buchhaltung kann doch jeder, so wie Putzen, Kindererziehen oder Wand streichen, das ist doch kein Beruf, eher ein netter Nebenjob, deshalb auch so locker für Quereinsteiger ….
Dieses Denken ändert sich erst mit dem Titel „Steuerberater“!
Jetzt erst würden wir wahrgenommen werden mit dem was wir tun, hätten einen geachteten Beruf, weil wir über wertgeschätztes Wissen verfügen, so wie ein Arzt, Rechtsanwalt oder Elektriker …

Sind wir möglicherweise getriebene unserer eigenen Minderwertigkeitsgefühle und der Wunsch nach Optionen und beruflichen Alternativen nur zweitrangig?

Ich wollte es eigentlich vermeiden mich dieser Erkenntnis zu direkt zu stellen aber vielleicht war es notwendig um daraus nun die notwendige Motivation zu ziehen und mir die Möglichkeiten zu verschaffen! … vielleicht führt mich diese Erkenntnis aber auch weg von dieser Titelfixierung …

Lieber Nuri, wir beide sind wohl gerade nicht an dem Punkt, dass wir eine Kanzlei übernehmen wollen oder ein Jobangebot hätten für den wir zeitnah diesen Titel brauchen, aber ist dieser fehlende Zeitdruck, die fehlende konkrete Perspektive vielleicht unsere Achillesferse? Haben wir es nicht entschieden genug gewollt und alles auf eine Karte gesetzt? Natürlich gibt es noch Job, Partner, Kind und was auch immer!

Im letzten Jahr an dieser Stelle hat uns Mandy eindrucksvoll bewiesen, dass all das letztendlich keine Rolle spielt und sie hatte sogar noch Haus und Garten, mich überfordert schon in normalen Zeiten mein Balkon.

Wer immer die Zulassung zu dieser Prüfung erhält verfügt zumindest über die notwendige Intelligenz diese Prüfung zu schaffen.
Überdenkt eure Motivation, ist diese stark genug um die notwendigen Möglichkeiten zu schaffen. Ist es das wert? Ist es euch möglich und seid ihr bereit 1,5 Jahre ALLES diesem Ziel unterzuordnen? Dann werdet ihr es im ersten Versuch schaffen! Alle anderen brauchen länger und manchmal reichen die drei Versuche halt nicht aus …

Wie seht Ihr das? Habe ich etwas übersehen oder suche ich nur Ausreden für mein eigenes Scheitern? Warum wollt ihr diesen Titel?

Ich wünsche euch wie immer viel Kraft und Zeit zum Lernen

LG aus Berlin
Beate