Ein Erlebnisbericht zum Mut- und Nachmachen
Von Dr. Natalie Thomalla, Steuerberaterin, Mitarbeiterin der Steuerabteilung der FIDES Treuhand GmbH & Co. KG in Bremen und spezialisiert in den Bereichen Umsatzsteuer und Gemeinnützigkeitsrecht.
Dass das Steuerberaterexamen mit Lernen, Entbehrungen und mentalem Stress verbunden ist, weiß jeder, der sich schon einmal mit diesem Berufswunsch auseinandergesetzt hat. Viele schrecken schon die Erzählungen anderer ab, mit dem Ergebnis, dass man sich fragt, warum man sich dieser schier „unlösbaren“ Herausforderung stellen sollte. Nach dem bestanden Steuerberaterexamen 2014/2015 kann die Autorin sagen: „Die Herausforderung ist lösbar!“. Der nachfolgende Beitrag soll nicht eine weitere „Schauergeschichte“ zum Steuerberaterexamen erzählen, sondern allen denjenigen Mut machen, die sich gerade dazu entscheiden oder bereits entschieden haben, Steuerberater(in) zu werden.
I. Motivation, Motivation und nochmals: Motivation?!
Es mag banal klingen, aber der eigene Wille, das Steuerberaterexamen zu bestehen, spielt eine wesentliche Rolle für den Erfolg oder Misserfolg. Viele scheitern nicht am Wissen, sondern am Willen bis zum Ende zu kämpfen. Aus diesem Grund sollte die Entscheidung, sich dem Steuerberaterexamen zu stellen, nicht über`s Knie gebrochen werden. Es braucht eine gewisse Zeit, sich selbst die Fragen beantworten zu können, ob dieser Berufsweg der richtige ist, und wann ein guter Zeitpunkt sein wird, sich der Herausforderung zu stellen. Mit einem klaren Kopf, einem festen Willen und dem Ziel vor Augen sind die ersten wichtigen Schritte getan.
Dabei habe ich mich persönlich schwerer mit der Entscheidung getan, „wann“ ich ins Steuerberaterexamen gehe, als mit der Frage, „ob“ dieser Berufsweg der richtige für mich ist. Schon im Rahmen meines BWL-Studiums war ich mir von vornherein sicher, dass ich mich für die Spezialisierung „Betriebswirtschaftliche Steuerlehre“ entscheiden werde. Woher diese Affinität kam, kann ich nicht sagen. Ein familiärer Hintergrund ist auszuschließen, und auch sonst hatte ich nicht viele Berührungspunkte mit dem Thema Steuern. Aber aus irgendeinem Grund fühlte es sich „richtig“ an. Auch im Rahmen meiner Promotion habe ich den Bereich der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre nicht verlassen. Aber schon in diesen Jahren stellte ich mir immer wieder die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, das Steuerberaterexamen in Angriff zu nehmen. Für mich gab es zwei Optionen.
- Entweder ich stelle mich direkt im Anschluss an die Promotion der Herausforderung, oder
- ich sammle erst mal ein Jahr Erfahrung in einer Steuerberatungsgesellschaft.
Letztlich habe ich mich für die zweite Variante entschieden und bin mir heute sicher, dass diese Entscheidung die richtige war. Somit hatte ich Anfang des Jahres 2013 die Fragen des „Ob“ und des „Wann“ für mich beantwortet, mit einem festen Ziel vor Augen: 2014 gehe ich ins Steuerberaterexamen!
II. Die Vorbereitung
Der Spruch „Wer die Wahl hat, hat die Qual!“ nimmt vor dem Hintergrund der unendlichen Angebote zur Vorbereitung auf das Steuerberaterexamen neue Dimensionen an. Bis zum August 2013 war mir nicht wirklich bewusst, dass eine ganze Branche von der Panik potenzieller Steuerberater(innen) „lebt“. Dem Überangebot begegnete ich im ersten Moment mit völliger Überforderung. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir nur sicher, dass ich in jedem Fall einen Vollzeitkurs machen werde (wobei ich allerdings an dieser Stelle zugleich zugeben muss, dass ich mit einem Fernkurs auch viel zu spät dran war). Die Anbieter solcher Vollzeitkurse sind zahlreich. Letztlich sollte man sich daher bei der Wahl eines Anbieters fragen: „Was für ein Lerntyp bin ich eigentlich?“
Diese zentrale erste Frage konnte ich mir relativ schnell beantworten, denn ich habe die Jahre zuvor im Studium meinen Lerntyp schon feststellen können. Am aufnahmefähigsten bin ich in den Morgenstunden; abends nach 21 Uhr fallen mir dafür die Augen zu. Aus diesem Grund kam ein ganztägiger Vollzeit-Präsenzkurs für mich nicht in Frage, da ich mich entgegen meines Biorhythmus` bis in den späten Abend mit der Wiederholung des Stoffs hätte beschäftigen müssen. Mein Augenmerk lag somit auf Vollzeitkursen, die es mir ermöglichten, den Nachmittag zum Lernen und Wiederholen zu nutzen.
Ein zweiter wesentlicher Punkt für meine endgültige Entscheidung war die Nähe zu meinem gewohnten Lebensumfeld. Eine Abschottung hunderte Kilometer von Familie und Freunden entfernt war für mich ausgeschlossen, obwohl das viele Prüflinge völlig anders sehen. Meine Entscheidung fiel somit auf einen Vollzeitkurs in meiner Heimatstadt.
Natürlich war ich mir darüber im Klaren, dass allein ein solcher Kurs wohl nicht ausreichen wird, das Steuerberaterexamen zu bestehen. Folglich stand ich wieder vor einem „Berg“ an möglichen Vorbereitungsangeboten, wobei ich mich nun auf die Zusatzangebote konzentrieren konnte. Die Auswahl reicht neben der SteuerStud von klassischen Büchern über Hörbücher, Onlinekursen, Klausurenkursen bis hin zu Präsenzkursen an den Wochenenden. Da mir alle diejenigen, die ich im Vorfeld gefragt hatte, was bei der Vorbereitung am wichtigsten ist, sagten, dass das A und O der Vorbereitung das Schreiben von Klausuren sei, habe ich mich dazu entschlossen, einen Klausurenfernkurs zu buchen. Zur „Abrundung“ kaufte ich mir noch eine Bücherreihe zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass diese Art der Vorbereitung ausreichend ist, wenn man konsequent über ein Jahr „am Ball“ bleibt. Allerdings war auch bei mir die Verlockung immer wieder groß, noch weiteres Geld für zusätzliche Vorbereitungsangebote auszugeben. Dieses Gefühl wird noch verstärkt, wenn man von anderen hört, was sie nicht schon alles in die Vorbereitung investiert haben. Die aufsteigende Panik ist jedoch oftmals nicht gerechtfertigt. Letztlich muss jeder Prüfling für sich ein gutes Vorbereitungspaket zusammenschnüren. Ein „Richtig“ oder ein „Falsch“ gibt es dabei nicht. Es ist jedoch nach meiner Erfahrung besser, sich auf wenige Vorbereitungsangebote zu konzentrieren und diese dafür durchzuhalten, als viel Geld dafür auszugeben, sein schlechtes Gewissen mit einem Überangebot an potenziell nutzbaren Vorbereitungsmaterialien zu beruhigen. Denn: Viel hilft nicht immer viel!
III. Der Weg zur schriftlichen Prüfung
Dass man sich nicht ein ganzes Jahr zu 100 % auf die Steuerberaterprüfung konzentrieren kann und jede freie Minute nutzt, um zu lernen, ist jedem klar. Es ist auch nicht etwa problematisch, Pausen zu machen; man sollte diese vielmehr gezielt einplanen und sich gönnen. Denn nur solche Pausen nimmt man im Rahmen der Vorbereitung als Erholung wahr und tankt neue Kraft.
Insbesondere in der Zeit nachdem der Präsenzkurs ca. sechs bis acht Wochen lief, fiel ich in meine erste Phase der Resignation. Ich hatte mich im Vorfeld auf die Zeit der Freistellung gefreut, darauf, dass man sich nur noch auf eine Sache konzentrieren muss. Die Motivation war insbesondere in der Anfangsphase sehr hoch. Und genau hier habe ich einen Fehler gemacht, den es zu vermeiden gilt: Ich habe mir aktiv keine Pausen gegönnt! Die ersten Wochen habe ich praktisch durchgearbeitet. Zwischen sieben und halb acht klingelte der Wecker, halb neun ging der Präsenzkurs los, um halb drei war ich zu Hause, und um 21 Uhr habe ich den Stift fallen gelassen. Pausen habe ich als „überflüssig“ empfunden. Die „Quittung“ bekam ich sechs Wochen später: Ich war gereizt, unausgeglichen und hatte ständig das Gefühl, zu wenig zu lernen.
Ich stellte relativ schnell fest, dass das Problem in meiner eigenen Zeiteinteilung lag. Pausen hatte ich mir immer nur dann genommen, wenn ich merkte, dass meine Aufnahmefähigkeit gegen Null tendierte. Das Problem bei solchen Pausen ist, dass man sie nicht wirklich genießen kann. Sie sind ungeplant, erhöhen das sowieso allgegenwärtige schlechte Gewissen und führen nicht zu einem Erholungseffekt. Im Gegenteil, diese Art von Pause ist frustrierend, da man sie als „Misserfolg“ empfindet. Um dem entgegenzuwirken, begann ich, in meinen Tagesablauf aktiv Pausen einzuplanen und auch tatsächlich zu nehmen, unabhängig davon, ob ich gerade in einem guten Lernfluss war oder nicht. Solche Pausen empfand ich als erholsam, da sie nicht mehr im Zusammenhang mit einem „Misserfolg“ standen, sondern mit einer „geplanten“ Auszeit.
Dieser strukturierte Alltag ermöglichte es mir, bis zur schriftlichen Prüfung ohne große Zwischenfälle durchzuhalten. Dass es an einem Tag mal besser und an einem anderen Tag mal schlechter lief, ist völlig normal.
IV. Die Tage der schriftlichen Prüfung
Obwohl man genau weiß, dass man ausgeschlafen in eine solche Prüfung gehen muss, führt die Aufregung dazu, dass an Schlaf kaum zu denken ist. Der ständige Zwiespalt zwischen „Ich will, dass es zu Ende ist.“ und „Ich brauche noch Zeit zum Lernen.“ macht es einem leider nicht einfacher. Vielleicht ist aber genau diese Einstellung zwischen Zuversicht auf der einen und Respekt vor der Prüfung auf der anderen Seite, die Mischung, die es einem ermöglicht, das Steuerberaterexamen zu bestehen.
Für mich war der erste Tag auch gleichzeitig der schwerste. Diese Äußerung soll sich nicht auf den Prüfungsinhalt, sondern auf die allgemeine Gesamtsituation beziehen. Man weiß einfach nicht, was auf einen zukommt: Wie sieht der Raum aus? Hängt an einer der Wände eine Uhr? Wie viel Platz hat man auf den Tischen? Hat das Papier bereits einen Rand? … Für einen Außenstehenden (und für mich aus heutiger Sicht) klingen die Fragen „banal“; aber damals waren sie für mich enorm wichtig. Als ich letztlich den Raum betrat, alles in Augenschein nehmen konnte und feststellte, dass die ganze Aufregung „umsonst“ war, konnte ich ein bisschen durchatmen und mich auf die bevorstehenden sechs Stunden fokussieren.
Da mir die Situation nun bekannt war und ich mich ausschließlich auf den Inhalt der Prüfungen konzentrieren konnte, waren die beiden anderen Tage emotional auch nicht mehr so aufregend. Jetzt hieß es nur noch, so viel Wissen zu Papier zu bringen, wie möglich. Mit Abgabe der letzten Klausur folgte dann ein Gefühl der Erleichterung. Endlich waren die Strapazen vorbei! Gleichzeitig beschlich einen natürlich auch die Angst, was passiert, wenn es vielleicht nicht gereicht haben sollte. Aber diesen Gedanken muss man sofort verdrängen, denn eines kann ich nun aus meiner Erfahrung heraus mit Sicherheit sagen: „Ob man besteht oder nicht, kann man nach den Klausuren nicht sagen.“ Kommt man nicht gerade aus der Finanzverwaltung oder hat bereits den Steuerfachwirt in der Tasche, liegen die meisten Noten der Probeklausuren zwischen 3,5 und 6,0. Diese Noten vermitteln allen Beteiligten nicht gerade das Gefühl einer besonders guten Leistung. Da sich die Noten im Rahmen des Steuerberaterexamens oftmals im Bereich zwischen 4,0 und 5,0 abspielen, ist es aus meiner Sicht faktisch unmöglich, mit einem guten Gefühl aus den Klausuren zu gehen.
V. Die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung
Ich hatte das Glück, die Steuerberaterprüfung in einem der Bundesländer schreiben zu dürfen, wo die Ergebnisse nicht erst im neuen Jahr, sondern schon vor Weihnachten veröffentlicht werden. Zudem bestand die Möglichkeit, nicht auf den Brief warten zu müssen, sondern diesen direkt bei der Kammer abzuholen. Folglich machte ich mich am 17. 12. 2014 mit zwei weiteren Leidensgenossinnen auf den Weg, um mir Gewissheit zu verschaffen.
In dem Moment, in dem ich den Brief öffnete und das Ergebnis sah, wich das Gefühl der Freude dem Gefühl der Ernüchterung: Es hatte „gereicht“; aber nun ging das Lernen weiter. Früher dachte ich immer, dass ich an dem Tag der glücklichste Mensch der Welt sein würde; aber dieses Gefühl wollte sich einfach nicht einstellen. Meinen Erwartungen zum Trotz überfiel mich innere Unruhe. Weihnachten stand vor der Tür, und das Einzige, woran man nun denken konnte, war, dass die Zeit bis zur mündlichen Prüfung ziemlich knapp war.
VI. Die mündliche Vorbereitung
Noch bevor ich in die schriftlichen Prüfungen ging, hatte ich mich dazu entschlossen, den Vorbereitungskurs für die mündliche Prüfung zu buchen. Ohne groß zu überlegen, vertraute ich auf denselben Anbieter wie für die Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung. Nicht ganz drei Wochen nach den schriftlichen Prüfungen begann der Vorbereitungskurs. Die Zeit „zum Durchatmen“ hielt sich folglich in Grenzen – genauso wie meine Motivation. Dies lag nicht zuletzt an dem Gedanken, dass man seine Wochenenden wieder mit Lernen verbringen sollte, obwohl man ggf. gar nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen werden würde. Unsere Dozenten war dieser Umstand jedoch nicht neu, und somit wurden wir freundlich, aber bestimmt, darauf hingewiesen, das es nun galt, sich erneut zusammenzureißen; schließlich habe man „schon zu viel investiert“.
Der Vorbereitungskurs fand immer samstags statt und setzte sich im November und Dezember 2014 aus einem Teil Unterricht und einem Teil Vortragstraining zusammen. Ab Januar 2015 wurde mit den Teilnehmern, die zur mündlichen Prüfung zugelassen worden waren, die Prüfung simuliert. Aus meiner Sicht war das eine perfekte Vorbereitung, da man so auch lernte, sich Situationen zu stellen, denen man instinktiv aus dem Weg gehen wollte. Nachdem der Kurs Ende Januar 2015 vorbei war, haben wir uns zu einer Gruppe von Leidensgenossen zusammengeschlossen und an den letzten Wochenenden vor Beginn der mündlichen Prüfungen gegenseitig Vorträge gehalten.
Um mich final auf die mündliche Prüfung vorzubereiten, investierte ich zusätzlich zwei Wochen Freistellung von meiner regulären Arbeit. In dieser Zeit habe ich nicht wieder den Fehler gemacht, mir keine Pausen zu gönnen, sondern die Tage im Vorfeld genau strukturiert. Dabei habe ich mir pro Fach einen Tag Zeit genommen, alles zu wiederholen und aktuelle Besonderheiten intensiver anzuschauen. Aus meiner Sicht war die Vorbereitungszeit in Verbindung mit dem Kurs zur mündlichen Prüfung ausreichend.
VII. Die mündliche Prüfung
Im Gegensatz zum Schriftlichen schlief ich die Nacht vor der mündlichen Prüfung ganz gut. Somit konnte ich mich mehr oder weniger ausgeruht dem letzten Schritt zum Steuerberater stellen. Rückblickend war der Tag nicht so schlimm, wie die Tage der schriftlichen Prüfung. Vielleicht liegt es an dem Umstand, dass ich lieber mit Menschen rede, als mich auf einem „weißen Blatt Papier“ zu erklären. Woran es letztlich lag, spielt im Nachhinein sowieso keine Rolle mehr. Ich war einfach froh, als die sieben Runden endlich vorbei waren und man erschöpft, aber glücklich, den lang ersehnten Zettel in der Hand hielt, auf dem einem bescheinigt wird, dass man die Steuerberaterprüfung bestanden hat.
VIII. Fazit
Es gibt die unterschiedlichsten Wege, wie man sich auf das Steuerberaterexamen vorbereiten kann; aber letztlich muss jeder Prüfling seinen eigenen finden. Ich bin nur einen Weg von vielen gegangen, und aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass dieser Weg der Beste für mich war. Ein „Allheilmittel“ ist er aber sicherlich nicht. Ich hoffe jedoch, ich konnte denjenigen Mut machen, die dasselbe Ziel vor Augen haben. Es gibt im Rahmen der Vorbereitung kein „Richtig“ oder „Falsch“. Selbst die besten Kursanbieter können nur das aus den Teilnehmern herausholen, was jeder Einzelne bereit ist, zu geben. Und derjenige, der mit der Bereitschaft, alles zu geben, in die Vorbereitung geht, hat die besten Chancen das Steuerberaterexamen im ersten Anlauf zu bestehen.
Aus SteuerStud Nr. 6 vom 28.05.2015 Seite 349