Ich bin zum zweiten Mal durchgefallen. Dieses Mal etwas weniger knapp als im Jahr davor.
Ich hab eine Weile gebraucht, um mich an diesen Beitrag zu setzen. Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, dadurch erst würde es offiziell werden, real werden. Allerdings war ich diese Woche zur Einsicht bei der Kammer und dachte mir danach – realer kann es auch nicht mehr werden.
Ich bin etwas leer und mir fehlen ein bisschen die Worte. Natürlich existiert auch im Zweitversuch weiterhin die Chance, es nicht bestanden zu haben und ich habe auch nicht fest und voller Überzeugung mit dem Bestehen gerechnet, aber trotzdem ist irgendwie eine Welt zusammengebrochen, in dem Moment, als ich das Ergebnis gesehen habe.
Ich weiß, ICH bin nicht das Ergebnis der Prüfung. Dieses Ergebnis sagt nichts über meinen Wert als Person oder auch über meinen Wert als Arbeitskraft aus, auch nichts über mein Wissen und mein Können.
Ich bin mit dem Beruf groß geworden. Mein Opa hat die Kanzlei gegründet, mein Vater hat sie vergrößert und ich arbeite seit Jahren hier. Meine Schwestern arbeiten hier. Alle hier haben mich auf diesem Weg sowohl finanziell als auch mental andauernd und ausdauernd in einem nicht selbstverständlichen Ausmaß unterstützt. Ich weiß auch, ich habe niemanden enttäuscht. Aber ich habe eben auch niemanden glücklich gemacht. Ich weiß, alle sagen, ich kann stolz auf mich sein – zurecht. Und das versuche ich auch. Aber es ist ein Weg, der Zeit braucht. Aktuell sehe ich nur das Scheitern und das braucht man auch nicht schönzureden. Es ist nichts anderes als das. Allerdings muss auch das nicht immer negativ sein.
Auch wenn der Beruf nicht mein Kindheitstraum war, liebe ich ihn. Ich gehe gern zur Arbeit. Ich hätte so gerne auch als Partnerin den Familienbetrieb weitergeführt und mich für den Berufsstand eingesetzt und engagiert. Ich hatte mich so auf die Freude gefreut und so viel vor.
In meinem Plan gab es die Möglichkeit, nicht Steuerberaterin zu werden, einfach nicht. Ich wusste, es kann ein oder zwei Versuche benötigen, aber ich war so fest davon überzeugt, dass ich es eines Tages sein werde. Zur Zeit kann ich fast nur die Sachen sehen, die nun nicht mehr gehen, die nicht mehr möglich sind. Das Gehalt wird nie dasselbe sein. Eine Partnerschaft ist zumindest aktuell nicht möglich. Ein Engagement im Verband auch nicht – zumindest nicht in großem Umfang.
Schließt sich eine Tür, öffnet sich irgendwo anders eine neue.
Am Ende wird es für irgendwas gut gewesen sein.
Ich weiß nicht – ich höre das alles, aber bis ich es verinnerlichen kann und daran glauben kann, wird noch Zeit vergehen. Das Leben verläuft nicht linear und viele Menschen erleben auf ihrem Weg furchtbare Schicksalsschläge. Das Nichtbestehen des Steuerberaterexamens ist kein Weltuntergang. Aber es ändert den Plan – für mich zum ersten Mal so richtig. Es ist eine Entscheidung von außen, die dir auferlegt: Den Weg, den du gehen wolltest, kannst und darfst du nicht gehen.
Es gibt noch einen dritten Versuch. Ich werde ihn dieses Jahr nicht schreiben, auch nicht im nächsten Jahr. Man soll niemals nie sagen – aber fürs erste bin ich durch mit dem ganzen Kram. Vielleicht werden einigen sagen, dann soll ich auch nicht rumheulen. Ich hoffe, wir hören irgendwann auf, den Menschen zu sagen, was sie zu fühlen haben.
Ich habe so viel investiert, Zeit, Geld, Kraft – ihr kennt das alles. Und obwohl ich dabei durch eine tolle Familie, Partner, Kollegen, Freunde unfassbar toll unterstützt wurde, habe ich keine Kraft und keinen Antrieb mehr, es in absehbarer Zeit erneut zu versuchen. Ich wüsste auch nicht wie. Welchen Weg der Vorbereitung ich gehen würde – welche Kurse, Anbieter, keine Ahnung.
Ich bin auch sauer, auf das System und alles was dazugehört. Als ich mir bei der Einsicht die Lösungen angesehen habe – ich hätte fast lachen müssen.
Ich werde diesen Sommer 30. Mehrere meine Freunde werden dieses Jahr heiraten, ich habe fantastische Urlaube gebucht – es liegt eine so tolle Zeit vor mir, auf die ich mich riesig freue. Das habe ich lange nicht gemacht, mich einfach auf mein Leben zu freuen. Das hole ich mir jetzt zurück. Und wer weiß – vielleicht wache ich irgendwann auf und stelle fest: Jetzt gebe ich mir den dritten Versuch. Ob das passiert und wann das passiert – keine Ahnung.
Das hier wird vermutlich mein letzter Blog-Beitrag sein und daher widme ich die letzten Zeilen euch:
Ich gratuliere jedem Einzelnen, der bestanden hat, von ganzem Herzen – ich gönne es euch so sehr! Alle meine Daumen sind gedrückt für Sarah, der ich alle Kraft und alles Glück wünsche und in der ich nicht nur eine Wegbegleiterin und Inspiration sondern auch eine Freundin gefunden habe. <3 Ich bin unfassbar stolz auf dich und freue mich auf die nächsten gemeinsamen Cocktails!
Danke für den tollen Austausch mit euch in den letzten zwei Jahren und viel Erfolg an alle, die sich für dieses oder weitere Jahre schon in der Vorbereitung befinden. Ich hoffe und wünsche euch sehr, dass ihr das Quäntchen Glück findet, dass ich nicht hatte.
Allerliebste Grüße aus dem kalten Berlin und das Beste für eure Zukunft!
Anna