Ohne Freistellung überleben

Ich werde neuerdings nervös, wenn ich auf die Startseite des Blogs schaue und die Countdown-Uhr unaufhörlich tickt. Blöd, ich weiß, aber es ist so. Für ganz viele läuft ja noch ein anderer Countdown – der bis zur lang ersehnten Freistellung. Ich gehöre zum kleinen Kreis derer, die nicht wochen-/monatelang frei haben und es trotzdem irgendwie schaffen wollen. Wobei die allgemeine Stimmung in meinem Samstagskurs auch sehr niedergeschlagen ist. Egal wen man fragt, alle winken nur ab. Ich für meinen Teil wünsche mir eigentlich nur noch, dass es vorbei ist, eigentlich egal mit welchem Ergebnis. Natürlich träumt man von einem 3,..-Schnitt, aber ganz ehrlich – ich will nur noch, dass es ein Ende hat. Meine Mitstreiter und ich kämpfen schon seit über einem Jahr und ich fühle mich noch nicht schlau genug für die Prüfung. Es beginnt nun die Zeit, wo man jeden Dozenten nur noch ein letztes Mal sieht, der Kurs ist fast abgeschlossen. Irgendwie fehlt mir noch „das große Ganze“. Ich werde im ersten Moment immernoch von Klausuraufgaben „erschlagen“. Dann heißt es durchschnaufen, ein zweites Mal lesen und den Text mit allen Gemeinheiten darin auseinander nehmen. Ich fange mich dann schon wieder und erkenne die meisten Problemfelder. Soweit so gut. Aber meine Zeit wird knapper. Mein Mann hat Anfang April seine neue Stelle angetreten und kommt nur noch am Wochenende heim. Die neue Situation belastet die Psyche, es bleibt nun bedeutend mehr (Haus-)Arbeit an mir hängen, ich kann nicht mehr sagen „ach geh du heute bitte mal mit den Hunden“, ich arbeite nachwievor Vollzeit, gehe samstags in die Schule, schreibe sonntags Klausur und frage mich, wann genau soll ich jetzt noch Stoff lernen/auffrischen ohne die berühmte Freistellung? Verzwickt. Klar, gegen 20-21 Uhr ist mein „normales Programm“ auch erledigt, aber sind wir doch mal ehrlich, was geht um diese Uhrzeit noch ins Hirn? Steuerverstrickung und Steuerentstrickung bei ausländischen Betriebsstätten? Meines streikt da zumindest. Ich kann dann den Text dreimal lesen, aber es bringt einfach nichts. Auch „Doping“ bringt da nichts mehr – kein Kaffee oder Energydrink der Welt könnte mir da noch helfen und ich brauche auch Schlaf. Wenn am Ende mein Körper schlapp macht, habe ich wieder nichts gekonnt. Es ist ein sehr, sehr schmaler Grad. Bei der Fachwirt-Fortbildung ist mir das alles nicht so schwer gefallen, da hatte ich auch gar keinen Lernurlaub und es war trotzdem gut machbar. Ich kann ja jetzt nicht sagen, ich werde alt, aber zumindest älter 😉 Ich habe schon Freunde und Familie eingespannt, mich für die letzten Monate zu unterstützen und hoffe sehr, dass meine Chefin noch einer Arbeitszeitreduzierung zustimmt. Ich will durchhalten, ich will kämpfen!

Wie ist die Stimmung denn in euren Kursen?

12 Gedanken zu „Ohne Freistellung überleben

  1. Hallo Nadine,

    ich gehöre auch zu den Leuten, die es ohne Freistellung anpacken.

    Habe letztes Jahr im Juli mit einem Fernlehrgang begonnen. Bis Ende Februar kamen wöchentlich mindestens zwei Lehrbriefe. Ab Anfang September bis Anfang Februar war ich dann auch in einem Samstagskurs. Direkt im Anschluss hab ich dann mit dem Klausurenfernkurs angefangen. Seitdem schreibe ich jeden Samstag eine 6-stündige Klausur. Unter der Woche bin ich immer noch damit beschäftigt die Lehrbriefe zu bearbeiten, damit ich jeden zumindest einmal durch haben.

    Körperlich bin ich auch sehr ausgebrannt. Nach der Arbeit kann ich mich maximal noch zwei Stunden auf den Stoff konzentrieren.
    Der Sonntag ist bei mir allerdings ein lernfreier Tag um den Akku wieder ein wenig aufzuladen. Allerdings erledige ich an diesem Tag meist Dinge, die unter der Woche liegen geblieben sind. Somit kann ich mich da auch nicht wirklich entspannen.

    Ich bin auch sehr froh, wenn das dann alles endlich vorbei ist. Ich wusste zwar vorher, dass ich keine Freistellung bekommen und auch die Arbeitszeit nicht reduzieren kann, allerdings haben ich mit so einer hohen Belastung nicht gerechnet.

    Die Countdown Uhr sehe ich momentan als kleine Motivation. Nicht mehr lange und der schriftliche Teil liegt hinter uns 😉

  2. Puh, also wenn du jetzt schon anfängst zu schwächeln, na dann gute Nacht. Die härteren Phasen kommen erst noch…
    Kannst du für den Haushaltskram nicht eine Reinigungskraft einstellen? Mit so einem Schmarn würde ich mich jetzt nicht mehr belasten.
    Und eine Stundenreduzierung bei deinem AG kommt auch nicht in Betracht? Vielleicht 1 Tag pro Woche fürs Klausuren schreiben?
    Machst du denn noch einen Vor-Ort-Klausurenkurs?

  3. Reinigungskraft, danke, ich musste wirklich gerade laut loslachen 🙂 Ich weiß ja nicht, was ihr verdient, aber ich bin eine Fachwirtin in einer winzigen Kanzlei, die einzige Vollzeitkraft und das noch auf dem Lande, nein, kann ich mir nicht leisten, die Kosten der Weiterbildung sind schon ein hartes Stück und ich schiebe schon den „Haushaltskram“ soweit es geht, ich mache nur das nötigste. „Jetzt schon“ ist auch gut, bin ja schon ein Jahr dabei und es kann mir keiner sagen, dass es nicht an den Kräften zehrt. Da ich es ja selbst merke, hoffe ich auf einen freien Tag in der Woche, aber wie gesagt, die Entscheidung steht noch aus, weil einzige Vollzeitkraft usw. Ich habe zusätzlich auch noch einen Präsenz-Klausurenkurs, an insgesamt 8 Wochenenden jeweils Freitag-Sonntag unter echten Bedingungen. Es war mir bewusst und seites Arbeitgeber klar kommuniziert, dass es keine Freistellung gibt und dass es hart werden würde. Dennoch sage ich ehrlich, dass es sogar hammerhart ist.

  4. Sorry, ich wollte dir nicht zu nahe treten und kenne deine persönlichen Lebensumstände ja auch nicht.

    Ich dachte halt, dass mit zwei Vollzeiteinkommen eine Putzhilfe für 2 – 3 Stunden schon drin wäre, aber gut. Und wenn das nicht geht, dann muss der Partner halt am Wochenende mal im Haushalt klar Schiff machen. Der Herr im Haus kann mEn nicht erwarten, dass er am Wochenende nach Hause kommt und ein sauberes Heim vorfindet, während die Partnerin selber Vollzeit arbeitet und am Wochenende gezwungenermaßen lernen muss.

    Mit „jetzt schon“ meine ich halt, dass die härteren Phasen erst noch kommen. Ich verspreche dir, dass du dich im September voller Wehmut an den schönen April erinnerst.

  5. Hey Nadine, lass dich nicht entmutigen. Vor einem Jahr war ich nahezu in der gleichen Situation (schon ein Jahr Lehrgang hinter mir und keine Freistellung vor mir…….). Ich bin abends auch nur sehr selten konzentriert zu etwas gekommen. Hab dann mit meinem Chef vereinbart, dass ich 4 Tage die Woche komme und jeden Tag fast 10 Std mache. Danach habe ich dann den Haushalt gemacht…. Das ist zwar wahnsinnig anstrengend gewesen, aber ich habe einen Tag gewonnen, den ich dann wirklich zum lernen nutzen könnte und ab und zu auch mal zum ausschlafen (das muss definitiv auch mal sein)… Vor der Prüfung hab ich dann meinen Urlaub genommen… Und es hat gereicht!

  6. @Börni: kein Problem, ich wollte nur erklären, warum ich nicht schon selbst auf die Idee für eine Haushaltshilfe gekommen bin 🙂 Ein Traum wäre das natürlich schon.

    @Kathrin: das macht mir wirklich Mut, vielen Dank! Schön zu lesen, dass es wirklich klappen kann. Man hört immer nur von den „Strebern“ (nicht abfällig gemeint), die auch einen 2,..-Schnitt erreichen können, aber selten ist das einer, der Vollzeit arbeitet. Natürlich kommt auch das vor, aber der Regelfall wird es nicht sein. Mein Traum ist es, am Ende den Zettel in der Hand zu halten, egal mit welchem Schnitt.

  7. Für Kleinstkapitalgesellschaften ist kein Anhang mehr zu fertigen. Es ist für diese Gesellschaften ausreichend, Angaben unterhalb der Bilanz zu machen.

    Die StBVV spricht aber nur vom Gebührentatbestand „Anhang“, der abrechenbar ist. Wenn wir keinen Anhang erstellen, können wir keinen abrechnen. Kann die StBVV dennoch sinngemäß so ausgelegt werden, dass unter den Gebührentatbestand „Anhang“ jetzt auch die „Angaben unterhalb der Bilanz“ fallen? Ansonsten wäre diese Tätigkeit nicht abrechenbar, wie rechnen das die Kollegen ab?

  8. Also ich muss mich der Aussage von Börni anschließen.
    Wieso macht den Haushalt nicht dein Mann am Wochenende?
    Ich hab dein Profil im Moment nicht im Kopf, deshalb weiß ich nicht wo du wohnst, aber als Struerfachwirt bekommt man da nicht ein solides Gehalt?
    Ich bin auch über die berufspraktische Schiene gekommen, also war auch StfachW. Zwar in München mit Münchner Gehältern aber hier bezahlt man natürlich auch abartige Mieten….

  9. Hey Nadine,

    lass dich nicht entmutigen 😉 Ich kenne genug Leute, die den Steuerberater auch ohne Freistellung geschafft haben. Gerade wenn du einen Jahreskurs besuchst, hast du ja schon einen Großteil des Stoffes im Kurs gehört. Auch wenn einen die Masse vielleicht erschlägt; es ist ja zum Glück !!!! noch etwas Zeit und bis dahin können noch viele Klausuren geschrieben und Aufgaben gelöst werden. Andere fangen im Mai/Juni erst mit einem Kurs an!
    Es ist auch wichtig, dass du dir ab und an etwas Freizeit gönnst, dafür hast du ja zum Glück zwei Hunde 😉
    Ich glaube, jeder kommt mal an den Punkt, wo man leicht verzweifelt ist. Lass dich nicht runterziehen, nimm dir eine kleine Auszeit und weiter geht’s 😉 Wir sitzen ja alle im selben Boot, sodass jeder diese Hochs und Tiefs mal hat.

  10. Ich habe auch keine Freistellung geplant. Lediglich meinen Jahresurlaub benutze ich für die Zeit des Klausurenkurses. Im Moment unterstützt meine Freundin mich sehr, indem sie viele Dinge im Haushalt (Wäsche, Einkaufen, Putzen) übernimmt und mich eher böse anschaut oder nach meinem Lernstand fragt, wenn ich mich dann trotzdem aktiv zeige (Prokrastination könnte man das dann auch bezeichnen) 😀

  11. Danke für die vielen lieben Worte.

    Auch ein „solides Gehalt“ ist leider Ansichtssache. Jede Bürokkauffrau in der nächstgrößeren Stadt verdient mehr. Aber das ist wohl so bei freien Berufen ohne Tarifvertrag…es soll angeblich Gehaltsempfehlungen von der örtlichen Steuerberaterkammer geben, aber an die kommt man als einfache Angestellte leider nicht ran.

    Mein Jahresurlaub sowie angesparte Tage vom letzten Jahr gehen für Präsenzveranstaltungen drauf – eigentlich muss doch bei soviel Unterricht ausreichend hängen bleiben 😉

  12. Mhh, irgendwie hab ich das Gefühl, du verkaufst dich unter Wert.

    Auch bei den freien Berufen darf eine Steuerfachwirtin ein monatliches Gehalt haben, das mit einer „3“ beginnt. Und Bayern ist mir jetzt auch nicht gerade als „Gehalts-Diaspora“ bekannt.

    Bleibst du bei deinem AG, wenn du die Prüfung und/oder die Vorbereitung geschafft hast?

    Keine Freistellung, schlechtes Gehalt (Du bist Steuerfachwirtin! = kleines Steuerberaterexamen = 80% Steuerberaterstoff), klingt jetzt nicht nach einem Traum-AG.

    Und zu lausigen Gehältern gehören immer zwei: Einer, der nur das zahlen will und ein anderer, der sich damit zufrieden gibt. Dann braucht man auch nicht mehr über #genderpaygap diskutieren

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