Wie ich meine Klausuren schreibe

Zum Start meines Klausuren-Intensivlehrgangs muss ich mich dann doch mal etwas über mich selber lustig machen….

45 Minuten vor der Klausur:
„Fünf Minuten vor der Zeit, ist des Deutschen Pünktlichkeit“. Mein Lieblingsspruch. Ich glaube ich war in meinem Leben noch nie zu spät. Warum jetzt damit anfangen? Ich sehe in Gedanken, wie meine Frau sich nun mit einem Augenrollen abfällig über meine Pünktlichkeit äußern würde und „Typisch Jungfrau“ zischt (Sternzeichen, das nicht das Andere 😉 ).

Ich parke auf dem komplett freien Parkplatz vor dem Kursort und gehe gemütlich an meinen Tisch. Natürlich bin ich einer der Ersten.
Meine Gesetze werden in einer fest vorgeschriebenen Reihenfolge nebeneinander auf den Tisch gestellt: Steuergesetze, Richtlinien, Erlasse. Da heute die Bilanz-Klausur dran ist, kommen die „Deutschen Gesetze“ noch an erster Stelle dazu. Die Stifte werden ausgepackt und der Füllstand der Minien kontrolliert.
Danach werden Stifte und Marker mit dem Lineal ausgerichtet, der Größe nach Sortiert nebeneinander auf den Tisch gelegt – und zwar bündig mit dem Taschenrechner.
Ein neuer Schreibblock wird ausgepackt. 50 freie Seiten. Es duftet wie bei neuen Büchern. Herrlich.

5 Minuten vor der Klausur:
Immernoch kommen Leute jetzt erst hektisch an. Jämmerlich. Mein mitgebrachter Kaffee schmeckt mir.

1 Minuten vor der Klausur:
Ich beschrifte die erste Seite:

Ertragsteuerklausur (doppelt unterstrichen)
Sachverhalt I (einfach unterstrichen)
Aufgabe 1 („Hm soll ich das jetzt auch unterstreichen? Theoretisch müsste ich dann oben 3 mal unterstreichen und den Sachverhalt 2 mal“ denke ich mir und mache mich dann kurz über mich selber lustig.)

Es geht los
Jetzt wird die Klausur studiert. Ein erstes überfliegen ob die Aufgaben zusammenhängen. Nein, tun sie nicht.
Also Sachverhalt 1 genau lesen. Die Gesellschaftsstrukturen werden aufgemalt. „Kacke, ich hab das erste Blatt ja schon beschriftet und so schön unterstrichen. Reiße ich das jetzt raus? Das wäre ja unordentlich!“ Ich wühle im Koffer, ob ich noch einen zweiten Block finde. Natürlich finde ich den. Der Koffer ist ja mit Sinn und Verstand nach der alten Kunst des Feng Shui am Vorabend eingeräumt worden. „Freak!“ denke ich mir wieder mal über mich selber.

20 Minuten nach Beginn der Klausur
So, Überblick ist verschafft. Ich schreibe „Bei dem Wirtschaftsgut handelt es sich um ein bewegliches WG des AV nach § 247 (2) HGB“.
Hätte ich jetzt noch erwähnen müssen, dass es bilanzierungspflichtig ist? Der oberer Satz wird vergewaltigt mit „das gem. § 246 Abs. 1 S. 1 in der Bilanz des Kaufmanns aufgenommen werden muss“. Puh, Glück gehabt!

2 Stunden nach Beginn der Klausur
Die Schrift wird unordentlicher. Teilweise muss ich mich davon abhalten in den Telegrammstil zu wechseln. Meine Hand schmerzt. Ich sehe über Ungenauigkeiten hinweg. Innerlich ärgere ich mich trotzdem über meine Inkonsequenz „2. Aufgabe“ geschrieben zu haben, statt „Aufgabe 2“. Aber damit muss ich jetzt wohl leben.

4 Stunden nach Beginn der Klausur
Der erste Sachverhalt ist gerade Beendet. Ordentlich schreibe ich schon lange nicht mehr. Mit meinen Formulierungen würde ich vermutlich sogar beim Kurs „Deutsch für Flüchtlinge“ durchfallen. Egal!
Jetzt eine kurze Pause, bevor der zweite große Sachverhalt angepackt wird. Pinkeln, Kaffee, Müsliriegel. Weiter gehts! „Hoffentlich habe ich die Punktevergabe (60/40) richtig eingeschätzt.“
„II. Sachverhalt“ (einfach unterstrichen). Ich ärgere mich schon gar nicht mehr, dass ich zu Beginn „Sachverhalt I“ geschrieben habe…

5 Minuten vor der Abgabe
Ich schreibe um mein Leben. Meine verrückten Gedanken zu Beginn werden mir nun zum Verhängnis. „Hätte ich mich mal auf das Wesentliche konzentriert“ . Zu spät! Alles, was Punkte geben könnte wird noch schnell aufgeschrieben. Bilanzsummen werden nicht mehr gezogen.
Jetzt noch schnell die Seiten durchnummerieren und Ende!

Nach der Klausur
In Gedanken ziehe ich mir mein Fazit:

„Negativ lief:
– Nicht ganz fertig geworden
– zu wenige § im HGB zu gesellschaftsrechtlichen Themen erwähnt
– Zu wenige Richtlinienzitate
– Fußgängerpunkte aus Zeitgründen verschenkt

„Positiv lief:
– Schöne Untertreichungen zu Beginn“

Morgen steht der 2. von 18 Klausuren-Tagen an. Mal gucken, was ich bis dahin alles anders mache. Auf jeden Fall muss ich an meinen Unterstreichungen arbeiten 😉

61 Gedanken zu „Wie ich meine Klausuren schreibe

  1. ghost, Du hast vollkommen Recht mit Deiner Blätter-Strategie. Wir sind von der Schule (Stichwort: Klausurheft) oder danach auch vom Studium gewohnt, Text hintereinanderweg zu schreiben. In der Steuerberaterprüfung muss man aber flexibel sein. Beispielsweise halte ich es für sinnvoll, Lösungstext von Berechnungen zu trennen, d.h. Berechnungen führe ich auf einem oder mehreren separaten Blättern durch, so dass ich in der Lage bin, diese Berechnungen später noch in eine andere Reihenfolge meiner Lösung zu bringen. Dass man dafür mehr Blätter braucht als „normal“, ist ja klar, aber es ist auch klar, dass man für die eigene Lösung zu viele Blätter verwenden darf, wie man möchte.

    In der Steuerberaterprüfung ist es meiner Ansicht nach praktisch unmöglich, seine Lösungen in einem Zug hintereinanderweg zu schreiben. Um die Reihenfolge seiner Lösungsüberlegungen während der Prüfung schnell ändern zu können, eignen sich Klemmbretter gut, in die man die losen Lösungsblätter einspannen kann.

  2. In NRW hat das mit den Lösungen durcheinander schreiben nur einen kleinen Haken: Die Lösungsblöcke sind gebunden und man darf die Seiten nicht auseinander nehmen. Also muss man viel hin und her blättern und das ist mMn unübersichtlich und kostet Zeit. Bisher konnte oder wollte mir aber noch niemand verraten was passiert, wenn ich die Blätter doch auseinander nehme.

  3. @SteMe
    Also ich hab 2014 auch in NRW geschrieben. Ich hab die Blätter alle vom Block getrennt und nachher in der richtigen Reihenfolge zusammengeheftet abgegeben. Den Rest der Blöcke von den 3 Prüfungstagen hab ich sogar noch zu Hause.
    Also vor 3 Jahren hat man die Prüfung so noch bestanden. Ich weiß ja nicht, ob das jetzt strenger gesehen wird.

  4. Moment, die sind gebunden? Was ist, wenn du Blätter noch brauchst oder Ergänzungen machen musst?

  5. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das Abtrennen der Lösungsbögen vom Block demnächst einem Täuschungsversuch gleichgestellt wird… …nur um die Prüfungsteilnehmer noch etwas mehr zu schikanieren. Wenn man es aber aus einer vernünftigen Perspektive betrachtet, dürfte das Abtrennen einzelner Lösungsbögen von einem Block prüfungsrechtlich irrelevant sein.

    Ich hatte mal mitbekommen, dass die einzelnen Lösungsbögen am Ende des jeweiligen Prüfungstages in eine Klemmkladde eingespannt werden und jedem Prüfungsteilnehmer dafür eine solche Klemmkladde (die die Lösungsbögen am linken Blattrand zusammenklemmt) zur Verfügung gestellt wird. Ist das überall so oder ist das wieder von Bundesland zu Bundesland verschieden?

  6. @Christina: Ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern wie ich das im letzten Jahr gemacht habe, bin mir aber zu 100% sicher, dass ich, selbst wenn ich die Blöcke auseinander genommen haben sollte (faszinierend, was mein Hirn so als unwichtig einstuft und komplett löscht ;o)), nicht deswegen durchgefallen bin. ;o)

  7. Zumindest in NRW ist das ganze stark formalisiert (was angesichts der Vielzahl der Klausurenorte nicht überraschend ist), der leitende Klausuraufseher liest den Text weites gehend ab. In meine die Ansage war: Bitte lassen Sie die Blätter nach MÖGLICHKEIT in der Blockform zusammen, stellen Sie auf jeden Fall sicher, dass die Blätter bei Abgabe fest miteinander verbunden sind. Irgendein Klausurstapel würde immer irgendwo runterfallen. Den Rest habe ich inhaltlich verstanden, ich denke er wollte darauf hinaus, dass wir bitte keine Büroklammern verwenden sollen.

    Zumindest letztes Jahr war damit ein Abtrennen der Blätter in NRW definitiv erlaubt.

  8. mir sind die Blöcke letztes Jahr unbeabsichtigt auseinandergefallen vom vielen hin- und her blättern. Ich hatte einen Tacker dabei und habe am Ende alles sicherheitshalber noch mal zusammengetackert.
    Ich habe also bestanden, obwohl die Blöcke nicht mehr komplett zusammen waren.

  9. Also ich hab vor 3 Jahren jedes Blatt vom Block abgetrennt und nachher zusammen getackert. Wenn sich daran in NRW was geändert hat, dann wird darauf auf jeden Fall kurz vor der Prüfung hingewiesen. Wie Pe schon geschrieben hat, es wird vorher einiges vorgelesen, damit jeder weiß, was man darf und was nicht. Das fängt ja schon damit an, dass man nicht einfach auf Klo gehen kann.

  10. In Niedersachsen bekam man einen Heftstreifen, auf den dann alles geheftet werden musste, damit nichts verloren geht.

  11. Blätter abtrennen war in NRW letztes Jahr erlaubt. Die Ansage war in der Tat, nach Möglichkeit alles zusammen zu lassen. Aber wenn man, wie der Kollege oben, Vielschreiber ist, dann reicht ein Block ja ohnehin nicht.

    Ich bin da wohl ganz anders und finde dieses „Gewurschtel“ mit vielen Einzelblättern zu nervig. Habe meine Lösungen immer in einem Aufwasch geschrieben. Wie üblich, jeder Jeck ist anders.

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