Im Auge des Hurrikans

Im Moment ist eine komische Zeit.
Die ganze Hektik der Vorbereitungskurse ist vorbei und sogar ich habe jetzt frei.

Meine Tage sind ruhig und monoton. Ich stehe zusammen mit meiner Frau um 6 Uhr auf. Draußen ist es zu der Zeit noch stockdunkel…
Nachdem ich mit einem Putzeimer voller Kaffee meine schlechte Laune runtergespült habe, geht’s in Schlafanzughose ins Büro zum Lernbeginn.
Und da bleibe ich auch sitzen, bis die Sonne langsam wieder untergeht… Im selben Büro auf demselben Stuhl vor demselben Stapel Unterlagen…

Aber der Eindruck täuscht. Die Hektik ist nicht vorbei. Ich darf mich von der Ruhe und Monotonie nicht täuschen lassen. Das ist nur die trügerische Ruhe vor dem Sturm und in 11 Tagen knallt’s so richtig.

Natürlich bin ich beim Lernen nicht durchgehend konzentriert. Manchmal liest man gerade etwas über die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils, schweift unterbewusst mit den Gedanken ab und erwischt sich 20 Minuten später dabei wie man sich auf YouTube eine Anleitung zum Mundharmonika-Spielen anguckt. Ich habe nicht mal eine Mundharmonika….

Aber ich muss da sitzen bleiben und mich zwingen. Die Wissenslücken sind so groß wie Scheunentore und die Zeit läuft davon. Also motiviere ich mich weiter.
Nur ist das mit der Motivation nicht immer so leicht. Ich scheitere an Fällen, die ich können müsste und mache Fehler, die ich nicht mehr machen dürfte.
Dazu kommen Flüchtigkeitsfehler bzw. falsch gelesene Sachverhalte. Sowas passiert mir normalerweise nicht aber wegen der mangelnden Motivation hier eben doch. Das nervt einfach!

Abends kommt die Frau nach Hause und fragt, was es so neues gibt und was ich den Tag so gemacht habe. Die Freunde und Familie fragen, wie „der Urlaub“ so ist.
Was soll man antworten, wenn das einzige, auf das man stolz sein kann ist, dass man sich im Verlauf des Tages eine richtige Hose angezogen hat?!

Es hat sich noch nie so komisch angefühlt, zu Hause zu sein. Man sieht Nachbarn, die man noch nie gesehen hat und regt sich über Geräusche im Haus auf, die man noch nie gehört hat.
So fühlt es sich wohl an, wenn man sich im Auge des Hurrikans befindet.

Wie läuft’s bei euch?

Spezialthemen

Es ist Donnerstag, 15:00 Uhr.

In 3 Wochen um diese Zeit haben wir es hinter uns! Dann hat mein Kopf Feierabend und meine Leber Doppelschicht.
Die meisten von uns werden aktuell wohl nur noch alte Klausuren nacharbeiten, die nicht so gut gelaufen sind. Vielleicht werden noch vereinzelt problematische Themen nachgearbeitet oder Fußgängerpunkte auswendig gelernt. Aber so richtig neue Sachen fängt wohl keiner mehr an.

Oder doch?

In jedem Kurs gibt es doch dieses eine Gerücht über ein Spezialthema, das dieses Jahr „auf jeden Fall“ nochmal drankommen soll.

Neben den typischen Angst-Themen wie z.B. Vollstreckung in der AO wurden mir auch völlig unerwartet Themen verkauft, mit denen ich dieses Jahr selber niemals gerechnet hätte:

Das eine Gerücht ist Lohnsteuer „in großem Umfang“. Ein bisschen kommt ja immer aber dieses Jahr soll es nochmal krachen. Damit hätte ich ja nach letztem Jahr nicht mehr gerechnet.

Das andere Thema ist ganz verrückt. Es sollen Vereine in der Körperschaftsteuer drankommen.

Tja, und wie gehe ich jetzt damit um? Gucke ich mir Lohnsteuer intensiv an oder reicht mir mein Praxiswissen. Und wie mache ich das mit Vereinen? Sowas habe ich noch nie gemacht. Opfer ich jetzt einen meiner knappen Lerntage dafür?
Zur Beruhigung meines Gewissens habe ich mich entschieden, einen „Spezialtag“ in meinen Lernplan einzubauen. Da mache ich eine 2-Std. Vollstreckungs-Klausur, einen Vereins-Fall sowie eine Liquidation in KSt und natürlich einen Lohnsteuerfall mit den Schwerpunkten auf jüngere Änderungen wie § 37b EStG und Elektromobilität.

Aber nochmal, das mache ich nur zur Beruhigung meines Gewissens! Ich glaube nicht wirklich, dass an den Gerüchten etwas dran ist.

Wie sieht es bei euch aus? Lasst ihr euch von solchen Gerüchten verrückt machen? Habt ihr noch weitere totsichere Gerüchte über Spezialthemen gehört? Schaut ihr euch diese Spezialthemen an?
Über Kommentare dazu würde ich mich freuen.

Zum Schluss noch 3 Punkte:

1. Lasst euch nicht verrückt machen. Selbst wenn widererwartend ein Spezialthema drankommen sollte, dann sind das wenige Punkte und mit Hilfe des Stichwortverzeichnisses ist vieles möglich.

2. Falls ein Klausurersteller mitliest: Ein weiteres dieser Gerüchte sagt ja, dass die ESt-Klausur letztes Jahr geändert werden musste, weil die Gerüchte zu nah an der Wahrheit dran waren.
Lieber Klausurverfasser, ich bin mir gaaaaanz sicher, dass Land- und Forstwirtschaft, Vollstreckung, Haftung, Lohnsteuer, Vereine, Betriebe gewerblicher Art, Differenzbesteuerung, Umwandlungsteuer, Personengesellschaften und alles mit internationalem Steuerrecht drankommen soll. Wir alle haben uns perfekt darauf vorbereitet.
Wenn ihr eins dieser Themen abfragen wolltet, dann tuts mir leid aber dann muss die Klausur jetzt nochmal geändert werden. Jetzt ist die Katze ja aus dem Sack. Schade!

3. Trotz des Stresses: Bitte wählen gehen am Sonntag!

Klausurenkurs geschafft oder geschafft vom Klausurenkurs?

Morgen ist der letzte Tag meines Klausurenkurses.
Grund genug, die letzten 4 Wochen nochmal Revue passieren zu lassen.

Der Kurs war für mich so etwas wie ein Meilenstein – nämlich der Startpunkt für die richtig ernste Phase, in der ich sämtlichen Freizeitaktivitäten wie Freunde, Familie, Hobbys und so einen unnötigen Quatsch abstelle.

Was habe ich mir nicht alles vom Kurs versprochen?! Ich habe gehofft, mit allen Themen etwas anfangen zu können, jede Klausur mit mindestens 4,5 zu bestehen, mich besser einschätzen zu können, neue Leute kennen zu lernen und motiviert bis zum Schluss am Ball zu bleiben. Quasi sowas wie eine 18-tätige Generalprobe.
Für die Nächte habe ich mir unter der Woche bewusst ein Hotel gebucht, um mich nicht von meinem üblichen Umfeld ablenken zu lassen und mich voll auf die Sache zu konzentrieren.
Ja… und wenn man schon mal in Köln ist und neue Leute kennen lernt, dann kann man ja auch abends ab und zu mal weggehen, oder!?

Entsprechend motiviert habe ich auch gestartet. Das Schreibmaterial war vorbereitet, das Gesicht frisch rasiert und die Hemden gebügelt. Für einen ersten Eindruck hat man schließlich keine zweite Chance. Wie mein erster Tag abgelaufen ist, könnt ihr ja hier (klick) nachlesen.

Heute, am vorletzten Tag, hat mich die Realität schon lange eingeholt. Ich war mal wieder viiieeel zu naiv. Schon am zweiten Tag habe ich das Hemd gegen ein gemütliches T-Shirt getauscht. Die gute Optik wisch immer mehr der Bequemlichkeit. Inzwischen gilt das Prinzip „Langstreckenflug“.

Jede Klausur motiviert ausformuliert und bis zur letzten Sekunde gekämpft habe ich auch nicht mehr. In Wahrheit habe ich oft nur kryptische Stichwörter geschrieben, um meine Gedanken zu überprüfen. Und ja, ich weiß, dass das nicht so effektiv ist. Aber wenn man zum 10 Mal eine vGA begründet hat ist das nur noch müßig.

Und Abends war ich so müde wie gefühlt noch nie in meinem Leben, sodass ich nicht ein einziges Mal später als 19:30 Uhr im Hotel war.

Das schlimmste ist aber: Ich konnte mit vielen Themen immer noch nicht viel anfangen. Ich wusste, dass ich das schon mal gemacht habe. Ich wusste teilweise sogar, wo das Thema im Script steht. Aber richtig lösen konnte ich die Fälle trotzdem nicht. Sowas macht mich richtig sauer. Da hat man ein Jahr gelernt und schafft es trotzdem nicht immer, 40 Punkte zu schreiben. Wenn man 15 Seiten schreibt und nicht besteht, dann bedeutet das, dass man mindestens 9 ganze Seiten lang völligen Quatsch geschrieben hat. Das lässt einen verzweifeln, oder?
Man kann arbeiten so hart wie man will aber man spürt einfach keine Fortschritte. Genauso muss sich Martin Schulz im Moment fühlen.

Tja und jetzt? Soll ich jetzt froh sein, dass es vorbei ist? Oder soll ich Panik bekommen, weil nur noch 25 Tage bleiben?
Wie geht’s euch? Motiviert oder Panik? Froh, wenn es vorbei ist oder hättet ihr lieber noch ein paar Wochen mehr Zeit?

Etwas positives gibt es trotzdem zu vermelden. Wenigstens kann ich mich jetzt besser einschätzen: Ich bin ein Holzkopf.

Erwartungsdruck

Gerade ist Halbzeit in meinem Klausuren-Kurs.

Wirklich überragend läuft es nicht; meistens bestehe ich ganz knapp. Ich sehe mich auf einem guten Weg aber weiß, dass ich noch ein ganzes Stück Arbeit vor mir habe.
Wäre morgen die Echt-Klausur, dann müsste bei der Themenauswahl schon viel Glück dabei sein, damit ich bestehen würde.
Aber das muss ich hier in der aktuellen Situation wahrscheinlich keinem mehr erzählen.

Anders sieht es aus, wenn das Thema „Steuerberaterprüfung“ im Freundes- oder Familienkreis angesprochen wird.
Da gehen alle fest davon aus, dass ich die Klausur im Oktober problemlos schaffen werde.

Meistens bekomme ich dann Kommentar wie:
„Du schaffst das doch eh!“
„Wenn Du das nicht schaffst, wer dann?“.

Und wenn ich ganz viel „Glück“ habe, dann werden die Geschichten noch garniert mit Erzählungen, wie leicht andere ihre Schul-, Berufs- oder Universitätsausbildung gemeistert haben.
„Das schaffst du schon, die Nichte von Onkel Harry hat ihre Ausbildung auch mit einer Zwei abgeschlossen“… Öhhm, Jaaaa, Oma, Danke fürs Gespräch.

Es versteht eben niemand Fachfremdes, dass die Prüfung etwas schwieriger ist, als viele andere Prüfungen. Und wenn man selber von Beruf Glückskeksautor oder Golfballtaucher ist, dann fehlt einem halt die Erfahrung bei dem Thema mitzusprechen. Die meisten machen es aber trotzdem…

Viel bringen die Gespräche also nicht. Was bleibt ist der Erwartungsdruck.

Ich weiß selber, dass man sich mit dem Gedanken nicht selber unter Druck setzen soll. Aber das ist leichter gesagt als getan…
Eigentlich bin ich sehr optimistisch aber manchmal stellt man sich eben doch die Frage „Was wäre wenn“.
Ich gehe damit so um, dass ich einen Teil meiner Motivation aus der Angst vor dem Durchfallen ziehe und mich dann ab und zu abends doch nochmal eine Stunde vor die Bücher setze.

Wie schaut es bei euch aus? Stoßt ihr auf mehr Verständnis in eurem Umfeld oder lebt ihr ganz einfach mit dem Erwartungsdruck?

Wie ich meine Klausuren schreibe

Zum Start meines Klausuren-Intensivlehrgangs muss ich mich dann doch mal etwas über mich selber lustig machen….

45 Minuten vor der Klausur:
„Fünf Minuten vor der Zeit, ist des Deutschen Pünktlichkeit“. Mein Lieblingsspruch. Ich glaube ich war in meinem Leben noch nie zu spät. Warum jetzt damit anfangen? Ich sehe in Gedanken, wie meine Frau sich nun mit einem Augenrollen abfällig über meine Pünktlichkeit äußern würde und „Typisch Jungfrau“ zischt (Sternzeichen, das nicht das Andere 😉 ).

Ich parke auf dem komplett freien Parkplatz vor dem Kursort und gehe gemütlich an meinen Tisch. Natürlich bin ich einer der Ersten.
Meine Gesetze werden in einer fest vorgeschriebenen Reihenfolge nebeneinander auf den Tisch gestellt: Steuergesetze, Richtlinien, Erlasse. Da heute die Bilanz-Klausur dran ist, kommen die „Deutschen Gesetze“ noch an erster Stelle dazu. Die Stifte werden ausgepackt und der Füllstand der Minien kontrolliert.
Danach werden Stifte und Marker mit dem Lineal ausgerichtet, der Größe nach Sortiert nebeneinander auf den Tisch gelegt – und zwar bündig mit dem Taschenrechner.
Ein neuer Schreibblock wird ausgepackt. 50 freie Seiten. Es duftet wie bei neuen Büchern. Herrlich.

5 Minuten vor der Klausur:
Immernoch kommen Leute jetzt erst hektisch an. Jämmerlich. Mein mitgebrachter Kaffee schmeckt mir.

1 Minuten vor der Klausur:
Ich beschrifte die erste Seite:

Ertragsteuerklausur (doppelt unterstrichen)
Sachverhalt I (einfach unterstrichen)
Aufgabe 1 („Hm soll ich das jetzt auch unterstreichen? Theoretisch müsste ich dann oben 3 mal unterstreichen und den Sachverhalt 2 mal“ denke ich mir und mache mich dann kurz über mich selber lustig.)

Es geht los
Jetzt wird die Klausur studiert. Ein erstes überfliegen ob die Aufgaben zusammenhängen. Nein, tun sie nicht.
Also Sachverhalt 1 genau lesen. Die Gesellschaftsstrukturen werden aufgemalt. „Kacke, ich hab das erste Blatt ja schon beschriftet und so schön unterstrichen. Reiße ich das jetzt raus? Das wäre ja unordentlich!“ Ich wühle im Koffer, ob ich noch einen zweiten Block finde. Natürlich finde ich den. Der Koffer ist ja mit Sinn und Verstand nach der alten Kunst des Feng Shui am Vorabend eingeräumt worden. „Freak!“ denke ich mir wieder mal über mich selber.

20 Minuten nach Beginn der Klausur
So, Überblick ist verschafft. Ich schreibe „Bei dem Wirtschaftsgut handelt es sich um ein bewegliches WG des AV nach § 247 (2) HGB“.
Hätte ich jetzt noch erwähnen müssen, dass es bilanzierungspflichtig ist? Der oberer Satz wird vergewaltigt mit „das gem. § 246 Abs. 1 S. 1 in der Bilanz des Kaufmanns aufgenommen werden muss“. Puh, Glück gehabt!

2 Stunden nach Beginn der Klausur
Die Schrift wird unordentlicher. Teilweise muss ich mich davon abhalten in den Telegrammstil zu wechseln. Meine Hand schmerzt. Ich sehe über Ungenauigkeiten hinweg. Innerlich ärgere ich mich trotzdem über meine Inkonsequenz „2. Aufgabe“ geschrieben zu haben, statt „Aufgabe 2“. Aber damit muss ich jetzt wohl leben.

4 Stunden nach Beginn der Klausur
Der erste Sachverhalt ist gerade Beendet. Ordentlich schreibe ich schon lange nicht mehr. Mit meinen Formulierungen würde ich vermutlich sogar beim Kurs „Deutsch für Flüchtlinge“ durchfallen. Egal!
Jetzt eine kurze Pause, bevor der zweite große Sachverhalt angepackt wird. Pinkeln, Kaffee, Müsliriegel. Weiter gehts! „Hoffentlich habe ich die Punktevergabe (60/40) richtig eingeschätzt.“
„II. Sachverhalt“ (einfach unterstrichen). Ich ärgere mich schon gar nicht mehr, dass ich zu Beginn „Sachverhalt I“ geschrieben habe…

5 Minuten vor der Abgabe
Ich schreibe um mein Leben. Meine verrückten Gedanken zu Beginn werden mir nun zum Verhängnis. „Hätte ich mich mal auf das Wesentliche konzentriert“ . Zu spät! Alles, was Punkte geben könnte wird noch schnell aufgeschrieben. Bilanzsummen werden nicht mehr gezogen.
Jetzt noch schnell die Seiten durchnummerieren und Ende!

Nach der Klausur
In Gedanken ziehe ich mir mein Fazit:

„Negativ lief:
– Nicht ganz fertig geworden
– zu wenige § im HGB zu gesellschaftsrechtlichen Themen erwähnt
– Zu wenige Richtlinienzitate
– Fußgängerpunkte aus Zeitgründen verschenkt

„Positiv lief:
– Schöne Untertreichungen zu Beginn“

Morgen steht der 2. von 18 Klausuren-Tagen an. Mal gucken, was ich bis dahin alles anders mache. Auf jeden Fall muss ich an meinen Unterstreichungen arbeiten 😉

Je mehr ich lerne, desto weniger weiß ich…

„Sehr geehrter Herr …,
der erste große Schritt in Richtung Steuerberaterprüfung ist getan; der berufsbegleitende Jahreslehrgang ist absolviert. […]“

So startete die E-Mail von Dr. Bannas an die Kursteilnehmer 2016/2017, die ich am Wochenende in meinem Postfach fand.
Damit ist offiziell, dass der Vorbereitungskurs nun vorüber ist und ich alle Werkzeuge vermittelt bekommen habe, um mir eine mindestens ausreichende Klausur zu basteln.

Am Anfang des Kurses war ich noch in meiner kleinen, perfekten Traumwelt. In allen Fächern wurden nur die Grundlagen unterrichtet, sodass man vieles schon gehört hatte und problemlos den Überblick behalten konnte…
Aber dann – ganz schleichend – kam ständig neuer Stoff dazu (bzw. bekannter Stoff wurde in einer völlig neuen Tiefe unterrichtet) und es wurden Querverbindungen zwischen Fächern hergestellt, die einen Verzweifeln ließen.

Nun habe ich nach jeder Klausur und nach jeder Übungsaufgabe das Gefühl, dass

je mehr ich lerne, desto weniger weiß ich.

Die Themen an sich sind gar nicht mal so das Problem. Vielmehr werden vermeintlich einfache und klare Sachverhalte mit einer Vielzahl an verschiedenen Problemen gekoppelt, sodass sich hinter jeder einzelnen Zeile im Aufgabentext ein Minenfeld verbirgt.

„Eine vGA? Kenn‘ ich, kein Problem! 5 Voraussetzungen prüfen und fertig.“
„Ach Umsatzsteuer in der vGA… Schwierig aber bekomm‘ ich hin!“
„WAS? In einer Organschaft? Die liquidiert wird? Leckt mich doch alle…“.

Wenn ihr Tipps habt, wie ihr den Überblick behaltet oder die Aufgabentexte auseinandernehmt, dann immer her damit.

Aktuelles Motivationslevel: „Ich bin froh, wenn der Mist hinter mir ist“.

Gesteht Eure Freizeit-Sünden

Der August ist da! Uns bleiben keine 70 Tage mehr und wir stecken mitten in der heißen Vorbereitungsphase!

Diese Zeit habe ich mir zu Beginn meiner Vorbereitung so vorgestellt, dass ich jeden Tag bis spät abends vor den Büchern sitze und ruhig und konzentriert alle Themen durchgehe.
Freunden und Familie sage ich grundsätzlich immer ab, weil ich dafür jetzt keine Zeit mehr habe. Sport und Sonnenschein wird zum Fremdwort und den Mann vom Lieferdienst kenne ich bereits beim Vornamen.

Jetzt stecke ich in genau dieser Phase!
Und natürlich fragen meine Eltern weiterhin, ob wir mal zum Essen vorbei kommen wollen. Und natürlich fragen Freunde weiterhin, ob man sich mal auf ein Bier (oder zehn) treffen will. Meine Frau fragt weiterhin, ob ich nicht nochmal kochen oder mit ihr essen gehen will und das „Mau“ meiner Katze interpretiere ich auch einfach mal in Richtung „Schenk mir Aufmerksamkeit“.

Tja und was soll ich sagen?! Natürlich sage ich weiterhin zu. Zwar nicht immer aber schon ab und zu. Unbedingte Willensstärke gehört wohl nicht zu meinen stärksten Fähigkeiten.
Was mir dabei aber immer im Kopf bleibt ist der Kommentar eines Blog-Lesers vor einiger Zeit, der sagte, dass jedes Mal wenn ich mir ein Bier aufmache, irgendwo anders ein Prüfungskandidat noch vor den Büchern sitzt. So ganz ohne schlechtes Gewissen bekomme ich es also auch nicht hin. Aber gut tut mir die Ablenkung trotzdem – solange es keine überhand nimmt.

Wie macht ihr das? Seid ihr konsequenter und willensstärker als ich? Oder stehen Treffen mit Freunden und Familie nach wie vor auf Eurem Programm?

Nur keine falsche Scheu. Gesteht Eure Freizeit-Sünden!!!

Übrigens: Fall jemand vergessen hat, seine Prüfungsgebühr zu überweisen, könnt ihr Eure Freizeit ohne schlechtes Gewissen verplanen wie ihr möchtet. Ihr tretet dann ja eh erst 2018 an 😉

Das Leben ohne Freistellung

Am Samstag hatte ich das letzte Mal regulären Unterricht und die meisten meiner Mitstreiter
[und Mit-Blogger] befinden sich bereits in der Freistellung oder stehen ganz kurz davor.

Immer wieder schnappe ich Gesprächsfetzen auf wie zum Beispiel:
– „Und, wie läuft Deine Freistellung?“
– „Ich schaffe meinen Stoff trotz 8 Stunden Lernen nicht!“
– „Hätte ich doch nur einen Monat früher aufgehört zu Arbeiten…“.

Auf die Frage, wie meine Freistellung laufe, muss ich inzwischen gebetsmühlenartig antworten:

„Ich habe keine Freistellung.“

Und direkt nach dem Satz sieht man den Leuten an, wie sich die Gesichtsfarbe verändert..

„Was? Keine Freistellung? Krass!“
Ein älterer Steuerberater kommentierte meine Entscheidung letztens nach leicht entsetztem Schweigen mit „Äääähh….mutig“.

Nein, ich bin nicht mutig. Ich bin nicht „krass“. Ich bin einfach nur dämlich… und geizig… ein dämlicher Geizhals!
Ich habe mir vor Beginn der Vorbereitung vorgerechnet, was mich der Kurs mit und ohne Freistellung kostet. Und in einem Anflug von grenzenloser Arroganz und Schönrechnerei habe ich mich dann gegen die Freistellung entschieden und angefangen, Urlaub anzusparen. „Wie schlimm kann es schon werden?“.

Mein Tages- und Wochenablauf sieht jetzt – dank mir – theoretisch so aus:

Unter der Woche:
Arbeiten bis 17:00 Uhr, lernen bis 20:00 Uhr, mit schlechtem Gewissen auf der Couch sitzen bis 22:30 Uhr, vor Müdigkeit ins Bett fallen bis 6:00 Uhr.

Am Wochenende:
7:00 Uhr aufstehen, frühstücken, ab 08:00 Uhr Klausur, Pause um 14:00 Uhr und ab 15:00 Uhr Nachkontrolle.

Praktisch schaffe ich es natürlich nicht, jeden Tag zu lernen. Dann verlängert sich die Zeitspanne gerne mal, in der ich mit schlechtem Gewissen auf der Couch sitze… (oder auch mal ohne schlechtes Gewissen, wenn Game of Thrones kommt 😉 )

Ab Ende August habe ich dann 18 Tage Intensiv-Klausurenlehrgang, der während meines angesparten Urlaubs stattfindet. Danach geht es wieder arbeiten (mit vereinzelt überstundenfreien Tagen) bis ich dann ab 04. Oktober mit Hilfe von 10 Tagen Bildungsurlaub nochmal frei habe.

Gibt es hier noch andere Leser mit wenig bis keiner Freistellung? Wie macht ihr das?
Und wie sehen es die Leute in Freistellung? Lernt ihr wirklich effektiv in der Zeit oder hättet ihr auch arbeiten gehen können.

Ich will ja nicht jammern, aber das Leben ohne Freistellung ist hart.
Und wie ihr wisst, ist alles vor dem „aber“ gelogen…

Leserbeitrag: „Drei Tage Horror“

Maik ist eigentlich Blog-Leser und startet 2017 seinen zweiten Versuch beim Examen.
Ich kam mit ihm in netten Kontakt und habe viele Fragen über den Ablauf der Echt-Klausur gestellt. Und damit nicht nur ich von seinen Erfahrungen profitiere war er so nett folgenden Leser-Beitrag über den Ablauf der Steuerberaterprüfung 2016 zu schreiben… Vielen Dank!

Ausgangssituation
Niedersachsen, männlich, 44 Jahre, 11 Jahre Praktiker, alle drei Tage um 36-45 Punkte in den jeweils letzten 3 Klausuren.

Tag 1
Die Nacht im Hotel verlief gut. Leichtes Baldrian und ein gesundes Selbstbewusstsein verhalf zum Einschlafen um 22.00 Uhr und Aufwachen um 5-6 Uhr. Ich habe an Teilnehmer im Rest Deutschlands ein Video verschickt. Die Szene aus Karate Tiger I, „Jason, kein aufgegeben, kein Rückzug!“

Die Stadthalle in Braunschweig ist schon ein beeindruckend großes Gebäude und die Weitläufigkeit der Flure wird auf den ersten Blick nur durch die wuselnde Masse der Prüfungsteilnehmer abgemildert. Der riesige Prüfungsraum ist voller Einzeltische, aber nicht überfüllt. Die Tische weder (zu) klein noch groß, es wird gehen.

Kann man die Anspannung riechen? Sehen? Spüren? Vermutlich alles zusammen. Die Gespräche mit Bekannten laufen alle ungefähr gleich ab. „Viel Glück!“ heißt es aus bleichen Gesichtern. An so einem Tag werden selbst ungeliebte Bekannte zu verbündeten.
Eine Sitznachbarin aus dem Haas Kurs hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, sagt sie. So sieht sie auch aus und das Ergebnis des Tages wird ihre Aussage bestätigen. In der folgenden Nacht wird sie rechtzeitig leichte Beruhigungsmittel nehmen, sie hatte nur keine dabei gehabt in Nacht 1…

Es wird angesagt, dass die Taschen nicht an die Seiten gestellt werden dürfen, da dort die Lüftungsschlitze sind. Nicht gesagt wird, dass die Taschen nicht unter den Tischen stehen bleiben dürfen. Auf meine Nachfrage werde ich angeblafft und sofort wird meine Anspannung in Aggression umgewandelt.

Ich Stempel meine 50 Blatt Papier mit meinem Namen und fange mit allen anderen zu schreiben. Die Klausur entspricht 1-1 meinen Erwartungen. Ich beginne mit Verfahrensrecht, gehe über zu Erbschaftsteuer und lese die Aufgabenstellung mit „Grunderwerbsteuer und andere Nebensteuern“ und halte es für einen Scherz. Dennoch sitze ich gut 2 Stunden an Erbschaftsteuer. Manche Aufgabenstellung in Erbschaft muss ich dreimal lesen. Die sind doch unsauber formuliert?
In Umsatzsteuer ist es soweit. Ein Schwächeanfall (der einzige in den drei Tagen). Ich bin abgeschlafft und verunsichert. Ich lese Aufgabe 1, bin unsicher, gehe weiter zu Aufgabe 2, gehe weiter zur nächsten Aufgabe… und endlich, die letzte kann ich sicher lösen. Anschließend löse ich sie in umgedrehter Reihenfolge. Schlimm ist die §15a UStG Aufgabe. Nach meinem Verständnis (und der Lösung) ist es keine § 15a Geschichte. Aber jeder von uns wird es noch im Kopf haben: Es gibt keine USt-Klausur ohne §15a…
Am Ende des Tages habe ich die Klausur wohl nicht unterschrieben. Den Stand der Nachlieferungen habe ich ohnehin nicht eingetragen. Sei´s drum.

Kurze Gespräche nach der Klausur zeigen, dass jetzt schon nicht grade wenige Kollegen die drei Tage abgeschrieben haben. Ich war gefühlt auf meinem üblichen Level. Und Erbschaft war erwartungsgemäß ätzend gewesen.

Tag 2
KSt/GewSt entsprach nicht wirklich den bekannten Aufgabenstellungen, die Pensionskasse zog sich durch und ich hatte eine 50/50 Chance ob vGa oder nicht… (falsch entschieden). Und das zog sich durch all die Jahre/Punkte.
Der 8c KStG-Fall war aus Gewerbesteuer, mittendrin im Schreiben überlegte ich, warum ich bei einer OHG im KStG bin.^^ Helft mir, ist es § 10a S…8 GewStG?
Dann diese geile Aufgabe 1. Seitenweise. Mit der sinngemäßen Aufgabenstellung „finde die Abzugsteuer und sage uns wann sie fällig ist“.
Ich las alles „neutral“ durch und stand auf. Ging den langen, langen Weg auf Klo und setzte mich ein paar Minuten hin. Ging zurück und löste diese Scheisse. Die Alternative wäre gewesen wie die junge Frau auf der rechten Seite zu reagieren:“ich verklage sie, (weinend) ich verklage sie, ich verklage sie“… Stundenlang. Und die Aufpasser griffen nicht ein. Die armen Klausurschreiber um diese Frau herum. Ich denke, meine 7-10 Minuten Klogang waren gut investierte Zeit.Im Gegensatz zu den besten nutzte ich nur Richtlinien und Gesetze (Erlasse wären teilweise sehr hilfreich gewesen). Dafür war ich recht gut in der Zeit. Teilweise traf man auf Lösungen für ganz andere Aufgabenteile als die, die man grade bearbeitete. Dann habe ich die Fundstellen notiert. Bei meinem zweiten Klogang traf ich eine Kollegin, die soeben aufgegeben hatte. Der Aufpasser fand es gar nicht witzig, dass wir miteinander sprachen. Dabei wollte ich sie nur umarmen.

Wild (innerlich) fluchend suchte ich §§ 37a und 37b, fand sie aber nicht. Also schrieb ich den Inhalt ohne Paragraphenangaben.

Der Tag endete mit meinem schwersten Fehler. Wir verabredeten uns zu dritt zum Essen und waren kurz darauf acht Leute. Einer fluchte immer über die Klausur. Nach einer halben Stunde war ich dermaßen gestresst, dass ich ging.

Tag 3
Tag 3 gab es nur noch wenige echte Optimisten. Ich war glaube nervöser als an Tag 1. Viele andere wussten schon, dass es nicht gereicht hat. Ich schrieb die Klausur, empfand sie als schwer, aber fair. Es hieß später, sie wäre leicht gewesen.

Am Ende war es dreimal 4,5. Damit gehörte ich zu den besten 40% meines Kurses. Und ganz am Ende reichte es nicht.^^

Die Festplatte ist voll

Bei mir zu Hause auf dem Schreibtisch liegt ein (mittlerweile ziemlich versiffter) DIN-A4-Zettel, auf dem ich von Beginn meines Kurses an immer die Themen notiert habe, die ich noch lernen musste. Sobald ich das Thema gelernt und verstanden habe, streiche ich es durch.

Inzwischen kommen aber immer wieder Themen drauf, die ich 10 Zeilen weiter oben bereits durchgestrichen habe…

Verkürzt sieht das dann in etwa so aus:
Bauten auf fremdem Grund
KSt-Organschaft
Tausch mit Baraufgabe in der Umsatzsteuer
Verluste in der Einkommensteuer
Bauten auf fremdem Grund
KSt-Organschaft

Und für jedes Thema, dass „vorne“ neu reinkommt, fällt „hinten“ eins runter. Mein Gehirn meldet:

Festplatte voll

Das merkt man besonders daran, dass ich so „kleine Themen“ wie Umsatzsteuer und ErbSt/BewSt schon im Oktober/November 2016 „klausurreif“ gelernt habe, um sie aus den Füßen zu haben. Wenn ich jetzt die „gemischte Klausur“ schreibe kommt mir das teilweise so vor, als hätte ich noch nie von den Themen gehört.

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die Schwierigkeit der Steuerberaterprüfung nicht mehr die Komplexität der einzelnen Themen ist, sondern die schiere Masse…

Geht Euch das genauso? Oder liegt es am Alter? Oder sollte ich am Wochenende das verdiente Bier weglassen?

Aktuelles Motivationslevel: 70% (aber nur, weil ein Ende in Sicht ist – der Countdown ist zweistellig!)